B032A Das Spiel mit Farblängsfehler und farbabhängigem Öffnungsfehler bei Refraktoren
B046 * Wie funktioniert ein Achromat? Grundlagen , Prinzip, Farb-Schnittweiten,
Der Farblängsfehler, auch chromatische Längs-Aberration genannt, beschreibt die unterschiedlichen Farbschnittweiten auf der opt.
Achse. Bei diesem Sachverhalt muß man unterscheiden, ob man einen Achromaten(Doublet), einen Halb-Apo (meist Zweilinser) oder
einen Voll-APO oder gar einen Super-APO vor sich hat. Bei letzterem sind die einzelnen Farbschnittweiten fast identisch, weshalb
diese Objektive sehr farbrein und natürlich teuer sind. Dieser Fehler wird vom Gaußfehler oder farbabhängigen Öffnungsfehler
überlagert. Bei der Hauptfarbe Grün = e-Linie = 546.1 nm wave sollte der Öffnungsfehler nahe Null, also perfekt sein. Für diesen Fall
wäre dann das rote Spektrum unterkorrigiert, das blaue Spektrum hingegen überkorrigiert. Da über den Einsatz in der Praxis unter-
schiedliche Wünsche an derartige Optiken herangetragen werden, war dieses Takahashi MC Doublet Fluorite Apochromat D=152 F =1216
für die Sonnenbeobachtung bei 656.3 nm wave = H_alpha zurecht-getrimmt - nicht ganz fachmännisch. Die Optimierung auf eine
bestimmte Wellenlänge hat mit dem Abstand der ersten beiden Linsen zu tun: Verkleinert man den Abstand dieser beiden, bis sich
diese in der Mitte berühren, dann vermindert sich die Unterkorrektur im roten Spektrum, Blau ist dann entsprechend überkorrigiert.
Umgekehrt führt eine Vergrößerung des Abstandes zu einer Reduzierung der Überkorrektur bei Blau bzw. Grün wird dann perfekt,
wie in dem vorliegenden Fall. (Vorher/656.3 nm Abstand 0.03 mm, jetzt/546.1 nm Abstand 0.62 mm) Diese Änderung ist nur im
Bereich zwischen F-linie bis C-Linie sinnvoll und auch nur ab einem Halb-APO eine Möglichkeit. Der Sachverhalt wird auch dadurch
erschwert, daß man bei dieser Arbeit zugleich das Objektiv zentriert (die Linsenverkippung), und da geht es um Werte im Mikron-
Bereich.
Je nach Spektral-Farbe ist das System überkorrigiert (blau) oder unterkorrigiert (rot), für grün sollte das System möglichst perfekt sein, in unserem
Fall liegt das Optimum eher bei Gelb.
Die Überkorrektur (blau) zeigt sich beim Interferogramm über ein "flaches 'M'", die Unterkorrektur durch ein "flaches 'W'" . Auch hier liegt das Optimum
eher bei Gelb.
Von Rot = 656.3 nm (H_Alpha) auf Grün 546.1 e-Linie optimiert
Dieses Objektiv hat vormalig ein Sternfreund auf H_Alpha optimiert, indem er den früheren Linsen-Abstand von 0.62 mm auf 0.03 mm verkürzt hat.
Mehr geht auch nicht, weil sich dann die beiden Linsen mittig berühren. Für das restliche Spektrum reagiert das System also überkorrigiert. Zwischen
den beiden Linsen ist also eine sogenannte negative Luftlinse. Das bedeutet, daß dann der Abstand in der Mitte kleiner ist als am Rand. Damit können
die Abstandsplättchen nicht in die Mitte rutschen.
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Die damit entstandenen Fehler in der Zusammenschau: Die Ronchi-Linien bereits ab Rot sind bauchig. Die Beugungs-Ringe beim Artificial Sky Test zeigen
deutlich die Überkorrektur an, und die Abstandsplättchen sind mit 0.03 mm sehr dünn, und damit höchst "ausgefranst" und sind im Strahlengang gut zu
sehen, wie das Bild darüber gut zeigt. Man muß deshalb wieder nach dem urspünglichen Linsen-Abstand suchen, step by step. Danach wird man diese
neu herstellen, aus Blei natürlich. In meinem Fall werden sie gegossen, zugeschnitten und gestaucht.
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Weil man später zugleich die Linsen-Verkippung regulieren muß, vergewissert man sich, wie die Koma zu behandeln ist: Dort wo der Koma-Kern zu
sehen ist, muß das analoge Plättchen gestaucht werden in etwas 0.01 mm. Da Linsen-Pakete sehr leicht verrutschen können, ist eine Art Halterung,
wie unten links erkennbar ist, sehr nerven-schonend. Es erleichter z.B. das Einlegen der Plättchen ebenso, wie das Reinigen der Innenflächen.
Es steckt also sehr viele Detail-Arbeit im Prozess, und mehrmals sucht man dann eines der Plättchen in der Werkstatt.
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Bis zu diesem Foto sind deshalb mehrere Stunden vergangen. Den Erfolg dokumentiert in jedem Fall das Ronchi-Bild mit parallelen Streifen, nahezu linear.
Beim Artificial Sky Test fehlen die Beugungs-Ringe fast völlig - ebenso ein Hinweis, daß die Korrektur stimmt, also perfekt für den Bereich 555 nm wave.
Damit beweist das Foto, daß das Objektiv in jedem Fall jetzt die theoretische Auflösung erreicht - dürfte der Anfangs-Zustand gewesen sein.
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In diesem Fall muß man zwingend das Interferogramm bei 532 nm wave oder bei 546.1 nm wave erzeugen. Dessen Feinheiten kaum
Astigmatismus, Koma und Spherical erkennen lassen. Das deutet auf eine gute Lagerung in der Zelle, eine gute Zentrierung der
Linsen und auf den richtigen Abstand der Linsen hin.
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Die Wellenfront-Darstellung ohne Auffälligkeit
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und die differenzierte Fehler-Analyse: Der Rest-Astigmatismus wäre mit PV L/6.5 der "größte" Fehler. jedoch bereits unterhalb der
Wahrnehmungs-Schwelle. Koma und Spherical sind jenseits irgendeiner Bedeutung: Es ist perfekt zentriert und der Linsen-Abstand
ist ebenfalls perfekt.
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Bei einem Test-Report oder auch Zertifikat bekommt man u.a. den RMS-Wert, der mit dem Strehlwert identisch ist und deswegen jeder-
zeit umgerechnet werden kann. Formel
Wegen des farbabhängigen Öffnungsfehlers (Gaußfehler) kann man bei Linsen-Optiken nicht einfach ein Interferogramme im roten
Spektrum auf Grün umrechnen, was bei Spiegelsystemen noch gehen würde. Man bekommt für jede Spektralfarbe andere Strehl-
Werte, weil sich der Unterschiedliche Öffnungsfehler auswirkt. Mit dem Bath-Interferometer und Interferenz-Filter hätte man das
Problem nicht. Siehe auch
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Der Sachverhalt am Beispiel eines Televue 102 mm: Das Objektiv ist im Bereich Blau-Grün bis Gelb nahezu perfekt: Also einen geringen Farblängsfehler
und fast keinen Gaußfehler (Öffnungsfehler). Ab Rot im langen Spektrum und ab violett im kurzen Spektrum "haut" der Fokus regelrecht ab, er wird
deutlich länger, als die übrigen, genauso, wie es im Diagramm gezeigt wird: http://rohr.aiax.de/ref-rutten03D.jpg Nun wollte der Sternfreund eine
Optimierung auf die h-Linie mit der Folge, daß man den Linsen-Abstand stark vergrößern müßte. Am Abstand der Farbschnittweiten jedoch würde
sich gar nichts ändern. Die starke Defokussierung von g und h bleibt erhalten. Jetzt wirkt sich die Defokussierung auf das Strehl-Ergebnis aus, eine
Umrechnung wäre schlicht falsch..
Siehe auch: E006 * Der Unfug mit dem Polychromatischen Strehl
Anhang: Zur Ermittlung des Sekundären Spektrums bzw. der RC_Indexzahl bzw. des Farblängsfehlers
01. Wer visuell durch einen Refraktor schaut, wird bei der "Scharfstellung" über das Okular, den schärfsten Punkt dort wählen, wo für sein
Auge das Bild am klarsten ist: Bei Tag wäre das im Bereich von 555 nm wave, also im Bereich der Hauptfarbe Grün, für das unsere Augen
für gewöhnlich optimiert sind. Nachts verschiebt sich dieser Punkt in Richtung Blau-Grün und die Rot-Empfindlichkeit nimmt erheblich ab.
Aus diesem Grund legen die Designer das rote Spektrum bei Achromaten möglichst weit nach hinten.
02. Wenn man diesen Vorgang nachvollziehen will, dann muß man bei der Interferometrie ebenfalls den Fokus auf die Hauptfarbe Grün legen.
und weil bei den Designern üblicherweise die Fraunhofer'schen Linien dazu benutzt werden, zumindest ZEAMX tut dies, stelle ich den Fokus
auf die e-Linie = 546.1 nm wave, sodaß dort der Defokus = Zernike z3 möglichst Null ist, was einer Fokussierung auf diese Farbe darstellt.
Im folgenden Bild, obere Reihe, entspricht das dem linken IGramm mit gerade waagrechten Interferenz-Linien. Für die IGramme rechts
daneben sind die Farbschnittweiten etwas länger, was man den nach unten gebogenen Streifen entnehmen kann. Rot hat die längste
Farbschnittweite. Man kann auch auf Rot(Sonnen-Beobachtung) oder auf Blau bis tief-violett fokussieren, das ändert aber an den tatsächlichen
Farbschnittweiten erst einmal nichts. Korrigieren könnte man den Gaußfehler = farbabhängigen Öffnungsfehler, wenn man ausschließlich in
diesem Spektrum beobachten will. Das obere Objektiv war so ein Beispiel: Der Öffnungsfehler war auf Rot minimiert.
03. Die untere Reihe im Bild zeigt die Situation, wenn man auf jede Farbe einzeln fokussiert. Damit kann man lediglich die Größe des Gauß-
fehlers darstellen, zur Ermittlung der Farbreinheit trägt dieser Vorgang jedoch nichts bei - wenn man nicht gerade die Farbschnittweiten
mechanisch ausmessen will mit einer 0.001 mm Meßuhr.
04. Die PolyStrehl-Diskussion mag über ein Designer-Programm darstellbar sein, scheitert aber bereits an der Meßtechnik, wenn man nach
einem Vergleich der Farb-Situation sucht: Die Fokussierung muß über einen einheitlichen Fokus erfolgen, eigentlich immer nur Grün, und
Fertigungs-Fehler wie Astigmatismus, Koma und system-übergreifende Über-/Unter-korrektur müßte herausgeblendet sein.
Ein Test-Report wird üblicherweise in der Hauptfarbe Grün erstellt mit PV-wave, RMS-wave. Aus dem RMS-Wert wird der Strehlwert ungerechnet:
Strehl = 2nd e^x(-(2*Pi*RMS)^2) < ----- > RMS = (SQR(+/-(LN(Strehl)))/2/Pi
Eine praxis-orientierte Würdigung von Astigmatismus, Koma und Spherical unterbleibt in der Regel.
In einem weiteren Anhang ein schnelles Verfahren, das obere Objektiv vor einem Planspiegel zu zentrieren, damit man es
optimieren und anschließend vermessen kann.
Erstmal herzlichen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz für dieses Objektiv.
Erstaunlich finde ich das Verschwinden der Beugungsringe, klar ist aber: Irgendwohin muss die Energie.
Bei der Untersuchung des sekundären Spektrums, ist da unter B die Messung am FS-152?
Beim Diagramm Strehl/Wellenlänge: Handelt es sich dabei um den FS-152 oder ist das eine Theoretische Funktion ?
Besten Dank für Ihre Erklärung ;)
Freundlichen Grüsse
Tobias Borer
bei diesem Diagramm-Beispiel ging eine Diskussion vorraus, ob man bei einem Linsen-Teleskop das in einer bestimmten Farbe gewonnene Strehl-Ergebnis auf eine andere Farbe umrechnen kann: Also von 656.3 nm wave auf 532 nm wave. Diesem Versuch steht der Farblängsfehler und der Gaußfehler entgegen. Dieses Diagramm hat also nichts mit dem oberen TAK 152 zu tun.
Für die "normale" Berechnung fokussiert man auf die Hauptfarbe Grün und fixiert den Fokus. In den von dort erstellten I_Grammen steckt der Farblängsfehler als "Defokus" und der farbabhängige Öffnungsfehler drin.
Siehe auch den Anhang am Ende meines Berichtes.