D107-07 * Wenn der Strehlwert nicht weiterhilft

zur Zentrierung GSO_RC12inch

Besonders im Bereich der Astro-Fotografie ist der Strehlwert aus mehreren Gründen ein ganz schlechtes Kriterium. Jedenfalls ist
es unsinnig, die Qualität eines Astro-Graphen über einen hohen Strehl beurteilen zu wollen:

- Die Auflösung eines fotografischen Systems muß über die Auflösung des Kamera-Sensors beurteilt werden.
- da der Strehlwert nur auf der optischen Achse ermittelt wird, fehlen die wichtigen Informationen aus dem Bildfeld.
- bedingt durch die ca. 1/3 niedrigere Auflösung des Kamera-Sensors verschwinden opt. Fehler, die man visuell vielleicht sehen könnte.
- RC-Systeme sind optimierbar: Die HS-Justage reduziert den Astigmatismus, der Spiegelabstand beeinflusst die sphärische Aberration
_und die Sekundärspiegel-Justage beseitigt die Koma
- Fotografische Systeme haben eine große Obstruktion, diese verlagern Licht in den ersten Beugungsring und relativieren die Spherical.
- Bei der Optimierung muß unbedingt ein genaues Protokoll geführt werden, dabei muß man von einem ausgekühlten System ausgehen
- Ein Astro-Graph ist ein Astro-Graph ist ein Astro-Graph und kein visuelles Teleskop und ist deshalb kaum über den Strehlwert zu beurteilen

 (Ich selbst habe mir ein 8" GSO RC-System zugelegt, damit man nach Herzenslust solchen Fragen nachgehen kann.) 
  

Um es nochmals in Erinnerung zu rufen, ein kritischer Blick auf das Rohbild eines Astrographen ist weitaus sinnvoller, als die Bewertung
über einen hohen Strehlwert, besonders wenn man Astigmatismus, Koma und Spherical optimieren kann.              







Die reine Strehl-Zahl ist wie der RMS-Wert, aus dem sie errechnet wird, eine wenig informative Zahl. Sehr viel informativer ist stattdessen
der in dieser Zahl enthaltene Wert für Astigmatismus, Koma und sphärischer Aberration (Spherical): Bei Astigmatismus geht es zunächst
um dessen überhaupt wahrnehmbarer Größe (ausgedrückt in PV der Wellenfront) und der Unterscheidung ob Astigmatismus der Grund-
ordnung oder höherer Ordnung, wie dies von den Zernike Polynomen dargestellt wird. Astigmatismus der Größe PV L/4 wave wird auch
visuell nur bei excellentem Seeing unter hoher Vergrößerung festzustellen sein, fotografisch also nicht wahrnehmbar.
Koma hingegen ist in jedem Fall eine Frage der exakten System-Zentrierung und damit prinzipiell variabel. Damit würde der Strehlwert
unzulässig verfälscht. Die sphärische Aberration als 3. opt. Fehler "konkurriert" mit der Obstruktion, weil in beiden Fällen Licht-Energie
in den 1. Beugungsring verschoben wird - ein Umstand, der über den Strehlwert nicht ausgedrückt oder abgezogen werden kann.
Selbst für die visuelle Beobachtung - und dafür ist ein RC-Astrograph nicht gebaut - wäre die Fehlerdifferenzierung ebenfalls sinnvoller,
statt eines "hohen" Strehlwertes, weil man der Frage nachgeht, wie sich der spezifische Fehler optisch auswirkt. Für die Fotografie ist
ein Rohbild in den Ecken der Aufnahme sehr viel informativer, als den Strehlwert auf der opt. Achse als Qualitäts-Kriterium heranzuziehen.           




Bei der Justage des Hauptspiegels kann man den Rest-Astigmatismus minimieren. Allerdings muß der Hauptspiegel unbedingt ausgekühlt sein,
erst dann läßt sich das System beurteilen. Die drei Zug- bzw. Druckschrauben müssen gekennzeichnet werden und man sollte unbedingt aus-
probieren, wie diese die Wanderung des Sternes beieinflussen und das auch aufzuschreiben.            




Die optische  Fein-Zentrierung des Hauptspiegels:

Kontrollieren kann man den Gesamt-Vorgang a) über die Wanderung des Sterns im Fokus, die über die 3 Zentrierschrauben-Paare beeinflusst wird, und
b) extrafokal über das Sternscheibchen, das von der Figur einer Ellipse (möglichst waagrecht)  allmählich in die Kreisform übergehen sollte. Dabei
muß man jedes Mal auch die Zentrierung des Gesamtsystems über den Sekundärspiegel nachzentrieren, weil die HS-Verkippung zugleich Koma erzeugt.
Das Bild zeigt die Markierung der Schraub-Paare in "A", "B" und "C" (nicht sichtbar). Leider liegen die Zug- und Druckschrauben nebeneinander: Das
bewirkt, daß die Bewegung des Sternes erst ermittelt werden muß, wohin er sich tatsächlich bewegt, (Im schlimmsten Fall sollte man zum Abroll-Verfahren
zurückkehren.)




Folgende Möglichkeiten gibt es, den Zentrier-Vorgang möglichst kontrolliert ablaufen zu lassen: Man möchte ja wissen, was man tut:
Extrafokal sieht man bei ca. 1000-facher Vergrößerung entweder einen Kreis, dann liegt kein Astigmatismus vor. Sieht man eine mehr
oder weniger ausgeprägte Ellipse, die man so legen sollte, daß die lange Achse waagrecht liegt. Dann müßte nämlich ein Stern im Fokus
(über die passende Zug-Schraube) von rechts nach links bewegt werden, sodaß die flache Ellipse allmählich kreisförmig wird. Im Normal-
fall würde die lange Achse der Ellipse nach rechts auf entsprechenden Zentrierschrauben zeigen. Für das RC 12" dürfte das stimmen,
für das RC 8" muß man das erst ermitteln.         



Wenn also eindeutig durch Versuch und Protokoll die Sternbewegung im Fokus ermittelt ist, und wenn über die Bewegung allmählich aus der
extrafokalen Ellipse ein Kreis geworden ist, dann ist zumindest der signifikante Rest-Astigmatismus weitestgehend reduziert, was den Strehl-
Wert enorm steigert, wie später ein Beispiel zeigt. Nach jeder Hauptspiegel-Verkippung, auch wenn sie noch so klein ist, muß das Gesamt-System
am Sekundärspiegel nachzentriert werden. Damit überprüft man immer wieder die Richtigkeit der Zentrierschritte. Hast und Hektik sind für eine
solche Arbeit Gift. Lieber eine Pause zum  Nachdenken und ein Teleskop richtig auskühlen lassen, besonders wenn man unsicher ist und dann
"verrückte" unkontrollierte Schritte unternimmt.   



Bereits diese Übersicht zeigt, daß es gar nicht notwendig ist, ein fotografisches System über das erforderliche Maß hinaus zu optimieren, nur
weil man auf einen möglichst hohen Strehlwert fixiert ist, nur weil man glaubt, mit einem fotografischen System genauso gut visuell beobachten
zu können. Das wäre der ebenso fragwürdige Versuch, mit einem Geländewagen an einem Formel Eins Wettbewerb teilnehmen zu wollen. Ein
Strehl 0.80 GSO RC wird fotografisch kaum "schlechtere" Aufnahmen zustande bringen als ein Strehl 0.99 GSO RC AstroGraph. Dessen
Auflösung wird vom Kamera-Sensor schlichtweg ausgebremst. Insofern ist die Leistungs-Fähigkeit eines solchen Systems über einen hohen
Strehlwert äußerst unzureichend zu beschreiben. Während für visuelle Teleskop-Systeme ein hoher Strehlwert u.U. sehr informativ sein kann,
taugt ein hoher Strehlwert als Information für eine AstroKamera eher nicht. 
         



Vergleicht man das folgende IGramm mit dem oberen Bild (http://rohr.aiax.de/12RC-AGraph04.jpg) , dann wurde z.B. der Astigmatismus
reduziert. In der Auswertung (http://rohr.aiax.de/12RC-AGraph05.jpg)  "springt" deshalb der Strehlwert nach oben. Die für visuelle Verhältnisse
große Obstruktion des fotografischen Systems läßt sich jedoch nicht verkleinern und stört genaugenommen die visuelle Abbildung, wie man
sie beispielsweise von einem TOA gewohnt ist, obwohl der nur 130 mm Öffnung hat.                   




Die optischen Fehler sind deutlich reduziert -  nur den Kamera-Sensor beeindruckt das überhaupt nicht, er sieht die deutliche Verbesserung
einfach nicht.      
      



GSO_RC12inch
Erfahrung bei einem GSO 12" RC

Die Erlanger Sternfreunde wollten es ganz genau wissen, und zentrierten ihr GSO 12" RC-System mit Hilfe eines Takahashi Justierokulars
[deutsche Bezeichnung] bzw. Takahashi Collimating Telescope [engl. Such-Begriff]. Für das GSO RC 12" f/8 hat das offenbar gut funktioniert,
und da ich das gleiche Tak Justier-Okular hier habe, wurde auch mein Justierokular eingesetzt, schon weil wir wissen wollten, ob es bei
diesem Bauteil eine signifikante Streuung gäbe.



Die mit diesem Tak Justierokular erzielte Zentrierung von 01. Sekundärspiegel und 02. Primär-Spiegel war nahezu identisch mit der Zentrierung
gegen einen 400 mm Planspiegel. Eine Anleitung dazu findet man hier und hier eine englische Anleitung. Im 1.Schritt beginnt die Zentrierung
zuerst mit dem kleineren Sekundärspiegel vorne, indem man den kleineren Kreis in  der  Mitte konzentrisch einstellt und erst im 2. Schritt mit
der Zentrierung des Hauptspiegels beginnt, und dazu den größeren Ring  konzentrisch justiert
094A GSO 8-RC Zentrierung in drei Schritten



Was am GSO 12" RC Truss-Tubus problemlos funktionierte, funktionierte heute am GSO 8" RC NICHT, an einem 9.25" SC ebenfalls nicht, und an
einem 
kleinen Newton auch nicht. Bei den Gründen tappe ich noch im Dunkeln. Es bleiben also weiterhin, die unterschiedlichen Zentrier-Methoden
mit der abschließenden Prüfung am Stern bei hoher Vergrößerung - so um die 1000-fach und mehr. Auch diese, zunächst Erfolg versprechende
Zentriermethode, scheitert an baulichen Details, eventuell mechanischen Ungenauigkeiten der unterschiedlichen Systeme. Es spielen
möglicherweise  die HS- und FS-Blendrohre ebenso eine Rolle, wie Abweichungen von der idealen mechanischen Achse von OAZ, HS und FS.



Prinzip der opt. Zentrierung des Hauptspiegels: Wenn der HS verkippt ist, also nicht exakt justiert, dann entsteht im System Astigmatismus,
den man extrafokal als elliptische Figur erkennt. Die lange Achse dieser Ellipse zeigt auf die Zugschraube, mit der man diese Verkippung
beheben kann: Dabei sollte sich der Stern im Fokus entlang der langen Achse von rechts in Richtung flache Ellipse bewegen. Stimmt dieser
Justierschritt, dann sollte allmählich aus der flachen Ellipse ein Kreis entstehen - ( in Gegenrichtung die Ellipse flacher werden.) Wenn der
Hauptspiegel nicht ganz temperiert ist, kann auch Astigmatismus entstehen, deshalb muß man eine Pause einlegen und erneut die extrafokale
Figur prüfen. Begleitend dazu muß der Sekundär-Spiegel immer nachzentriert werden.



Bei diesem Takahashi Collimating Telescope schaut man durch das hintere kleine Kepler-Fernrohr durch die Bohrung des vorderen Chesire
Okulars auf den Sekundärspiegel+Blendrohr, um diesen konzentrisch zu justieren, und im zweiten Schritt den Hauptspiegel zu zentrieren.
Im Falle des Sekundärspiegel käme dafür der kleinere markierte helle Ring in Frage, beim Hauptspiegel der größere Ring, der aber mit der
Fangspiegel-Halterung so verschmilzt, daß man ihn kaum noch sieht, außer einer dünnen Kante, bei entsprechend heller Beleuchtung.



Auch diese Kante muß man konzentrisch stellen, und damit sollte das System zentriert sein. Die Gegenprobe unbedingt wieder am Stern,
weil jede Zentrier-Methode andere Schwächen hat. Bei Massenfertigung, wie es diese Teleskope darstellen, ist leider nicht garantiert, daß
alle Bauteile von OAZ, HS/FS-Lagerung und Blendrohre exakt auf einer gemeinsamen Achse positioniert sind. Aus diesem Grund entwickelt
man unterschiedliche Zentrier-Methoden, die man gegeneinander prüft.