D093 10 inch GSO RC Wieviel Strehl braucht ein Astro-Objektiv
Wieviel Strehl braucht ein Astro-Objektiv für die Fotografie?
Was für ein visuell genutztes Teleskop zutrifft, muß für ein fotografisch genutztes Astro-Objektiv noch lange nicht richtig sein: Bei einem visuell
genutzten Teleskop verlangen wir einen hohen Strehl, möglichst glatte Flächen, hohe Farbreinheit, damit wir mit möglichst hoher Vergrößerung
das Bild im Fokus einer Optik mit einem entsprechend guten und farbreinen Okular nachvergrößern können. Das Seeing verschmerzt unser
Auge, wenn es einigermaßen erträglich ist.
Völlig anders ein fotografisch genutztes Objektiv. Die Nachvergrößerung über ein Okular entfällt. Das Seeing "verschmiert" über die gesamte
Belichtungzeit die eigentlich punktförmige Abbildung, wichtiger ist auch die punktförmige Abbildung bis in die Ecken des Kamera-Chips, und
wie wirken sich eigentlich die bekannten Fehler wie Astigmatismus, Koma und Sphärische Aberration aus. Muß denn der Strehl wirklich so
hoch sein, wie bei visuell genutzten Teleskopen? Dort wird er immer auf der opt. Achse ermittelt und nie im Feld!
Um "strehl-fixierte"Sternfreunde etwas zu schonen :) , habe ich hier die Strehlwerte bewußt "gestrichen".
Am GSO RC entzündete sich regelmäßig die Diskussion deshalb, weil trotz niedriger Strehlwerte die Astrofotografen immer mit Super-Aufnahmen aufwarten konnten.
Es stellt sich daher immer wieder die Frage: Wieviel Strehl braucht eigentlich ein Astro-Objektiv für die Fotografie?
Das GSO RC als 10" und 8" Ausgabe dürfte ja bekannt sein. Hier handelt es sich um das GSO RC von Stefan Schimpf, von dem auch die schönen Astro-Aufnahmen
sind. Für mich am wertvollsten hingegen sind seine Rohbilder, da sie eine Reihe von Erkenntnissen abliefern können.
Kombiniert mit der ATIK 4000 hat man - zwar nicht gerade billig - eine profimäßige Ausrüstung, mit der man wunderbare Himmelsaufnahmen erstellen kann, so
man noch den passenden Laptop und die einschlägigen Programme zu bedienen in der Lage ist. Ich kann es leider nicht, aber der Stefan, und der wohnt nicht
weit von hier. Bevor man aber die Rohbilder untersucht, wäre ein Blick auf die technischen Daten dieser ATIK 4000 hilfreich. Von besonderem Interesse wäre
a) die Pixelgröße des Kamera-Chips und b) die Anzahl der Pixel pro Datei. Die Pixelgröße von 7.4 x 7.4 Mikron "schluckt" in segensreicher Manier eine Reihe von
optischen Fehlern, über die man visuell heftig streiten könnte, fotografisch hingegen "unter den Tisch fallen".
Mit dieser Ausrüstung entstanden bei Stefan u.a. die folgenden Aufnahmen, die folgenden Zwei sind bereits computer-aufgepeppt und verkleinert, somit
fehlen die interessanten Details der Rohbildaufnahmen.
Der Betrachter freut sich an Farbe und Detail-Reichtum, wenn er so unbedarft die Fotos betrachtet, wie ich. Ein Stefan Seipt würde mit ganz anderen
Augen auf die Ergebnisse schauen.
Werfen wir also einen Blick auf ein Rohbild von M1, das in seiner vollen Größe hier zu finden ist: http://rohr.aiax.de/@SV_D1.png Auf der Datei
sind weitere Beispiele von engen Doppelsternen, die interessante Details verraten. Das folgende Bild untersucht die linke obere Ecke, in der ich
einen engen Doppelstern aufspürte: Der weiße Kreis in Bildmitte. Darüber in einem Kasten eingeblendet die Situation der einzelnen Pixel, die
nach dem hellsten Pixel einen Abstand von 4 Pixel haben. Das wäre umgerechnet ein Abstand von 4 x 7.4µ = ca. 30µ. Rechnet man das über
den Fokus von 2000 mm um, so kommt man auf einen Winkelabstand von 3.09 arcsec. Etwa 1.5 arcsec würde also auf diesem Rohbild noch
aufgelöst werden können, wenn man sich gedanklich diesen Abstand auf zwei Pixel verkleinert denkt. Nun liegt aber das Auflösungs-Vermögen
dieser Kamera bei 0.5536 arcsec entsprechend der Formel in "Tipps und Tricks für Sternfreunde" SuW von W.Paech und T.Baader. Es ist offenbar
das Seeing dieses Abends, das die mögliche Auflösung über die 10 minütige Belichtungszeit völlig ruinierte und auf allerhöchstens 1.5 arcsec
begrenzt. Noch ein anderer Vergleich, der den Unterschied zwischen visueller Nutzung und fotografischem Gebrauch beleuchtet:
Das drittnächste Bild zeigt in der zweiten Reihe die Ergebnisse des Artificial Sky Testes. Auf der opt. Achse schaut dies bei 1000-facher
Vergrößerung so aus, wie man es im Rohbild im eingeblendeten Kasten sieht. Der Kasten hat die Größe von 3x3 Pixel, im Kreis daneben sind
diese 3x3 großen Pixel gelb eingezeichnet. Sie haben etwa die Größe der helleren Sterne: Alles was für die visuelle Information in diesem
Extrem-Test (Artificial Sky Test) drinsteckt und fotografiert werden kann, verschwindet in einem winzigen Punkt auf dem Chip der
ATIK 4000 Kamera. Dieses GSO RC hätte z.B. einen deutlichen Astigmatismus, wie er im letzten Bild angegeben ist, fällt unter den Tisch.
Das GSO RC wäre überkorrigiert, fällt unter den Tisch, bzw. verschwindet in einem 3x3 Pixel großen Punkt. Am ehesten würde man Koma-
Effekte sehen, die nämlich die Sternpunkte kometen-artig auseinanderziehen würden.
Deshalb sollte man über die Wirkung der einzelnen Fehler nachdenken:
01. Astigmatismus erzeugt im Fokus bei hoher Vergrößerung ein Kreuz, visuell könnte man das sehen, fotografisch jedoch nicht.
02. Über- oder Unterkorrektur verschiebt etwas Energie in die Beugungs-Ringe und "bläst" sie etwas auf, mehr aber auch nicht.
03. Deutliche Koma, oder ein dezentriertes System würde noch am ehesten auffallen. Aber auch dieses Rohbild entstand mit einer
leichten Dezentrierung, Koma genannt. Sieht man davon etwas?
Warum also sieht man die strehlmindernden Fehler nicht? Solange diese Fehler nicht wesentlich über die Kreisform hinausgehen, wird keiner die Größe
der Sternpünkten im Durchmesser nachmessen und hat bis zum Rand und in den Ecken schöne feine runde Punkte. Hier ist ein Vergleich mit den
SpotDiagrammen von opt. Systemen sehr viel hilfreicher. Ich muß mal suchen.
Die Tests für visuelle Beurteilung zeigen das übliche Bild derartiger GSO RC Kameras. Die Zentrierung stimmt, im Sterntest FokusBild sieht man die feinen Beugungs-
Ringe, der Foucault-Test zeigt eine vergleichsweise glatte Fläche, am Ronchi-Bild sieht man die leichte Überkorrektur, am Lyot-Test erkennt man die Art, wie man
bei GSO die Flächen retouchiert.
Entscheidend bei einem RC-System ist hingegen die punktförmige Abbildung im Bildfeld, besonders am Rand und in den Ecken. Aus diesem Grund ist eine
Untersuchung im Bildfeld bei schrittweiser Verkippung von jeweils 0.1° sehr aufschlußreich: Im Feld nimmt zwar Koma und Astigmatismus etwas zu, aber
nicht in der Weise, wie das bei einem Newton der Fall wäre. Deutlich ist auch die Vignettierung erkennbar. Dies bedeutet am Rande zwar Lichtverlust,
dafür wird aber ein Teil von Koma und Astigmatismus "getilgt" und die punktfömige Abbildung bleibt weiter erhalten.
Was man an den Interferogrammen schon erkennen kann, zeigt sich in anderer Form auch beim Artificial Sky Test, die Zunahme von Koma und Astigmatismus
in den Figuren. Bis zu einem Gesamt-Bildwinkel von 0.6° bzw. einem Bilddurchmesser von knapp 21 mm passiert nahezu nichts und wäre die Begründung
dafür, daß die Rohbilder von Stefan so makellos herauskommen. Da die ATIK 4000 Chip-Diagonale bei 23 mm liegt, müssen die Rohbilder bis zu diesem
Bildwinkel von 0.6° absolut unauffällig sein. Erst ab 0.4° Verkippung bzw. 0.8° Bildwinkel wäre Astigmatismus besser erkennbar.
Genau aus diesem Grund noch eine Serie mit niedriger Vergrößerung (200-fach bei 20µ Pinhole-Durchmesser) Auch hier wäre bis zu einem Bildwinkel von
0.6° die Abbildung punktförmig und unauffällig. Entsprechend heftig erkennt man die astigmatische Verformung erst bei 0.6° Verkippung bzw. 1.2° Bildwinkel.
Es gibt Sternfreunde, die auf meinen oberen Interferogrammen den Strehlwert ermitteln. Sie werden merken, mit wie wenig Strehl man so schöne RohBilder mit dem GSO-RC
und einer ATIK 4000 herstellen kann. Bereits am PV-Wert kann man erkennen, daß der Strehlwert ganz bestimmt unter beugungs-begrenzt liegen muß. Die PV-Werte würde
man für die visuelle Beobachtung nie akzeptieren und stattdessen von einer "Gurke" sprechen. Die fotografische Benutzung einer Optik muß also von anderen Kriterien
ausgehen, sodaß sich die berechtigte Frage stellt, siehe Überschrift.
Dieser Beitrag korrespondiert auch mit diesen Berichten, bei denen die Situation im Feld von ganz hochwertigen Refraktoren untersucht wird:
D092 RC-Systeme: Zwischen den Stühlen - visuelle / fotografische Beurteilung