D092 RC-Systeme Zwischen den Stühlen - visuelle vs fotografische Beurteilung

Zwischen den Stühlen

Die Fälle summieren sich. Siehe auch hier Es sind Fälle ohne wirklichen Real-Bezug, den Anfänger nicht wissen können und erst durch langjährige
Erfahrung richtig eingeschätzt werden kann. Der Titel "Zwischen den Stühlen" hat damit zu tun, daß bisweilen meine Ergebnisse, aus dem
Zusammenhang gerissen, wiedergegeben werden und deswegen ein Anlaß sind für diesen Kurzbericht.

Zwischen dem folgenden ED APO mit einem Strehlwert von 0.985 /532 nm wave und der aufnehmenden Kamera muß es eine Verkippung geben. Der Sternfreund
schickt mir den Refraktor zum Zentrieren. Die folgende Übersicht zeigt aber bei 265-facher Vergrößerung ein gut zentriertes Bild, ebenso bei einem Bildwinkel
von 0.5° und erst bei 1° Bildwinkel oder 18.50 mm Felddurchmesser entsteht der bei einem Refraktor übliche Bildfehler von Koma+Astigmatismus, sehr gut am Kreuz
zu sehen. Dieses Objektiv ist in erster Linie visuell konzipiert und für die Fotografie overdressed. Bei fotografischer Benutzung muß die Optik noch nicht
einmal beugungsbegrenzt sein, was ca. 0.80 Strehl wäre.

Die Zit. "komatösen" Effekte, entstehen deshalb nicht über die vermeintliche Dezentrierung der Optik selbst, sondern über die Verkippung der Kamera gegen
über dem Objektiv, was die Simulierung bestätigt hat. Bei fotografischer Nutzung ist deshalb ein hoher Strehl nicht unbedingt erforderlich, der ohnehin immer
nur auf der Achse gemessen wird und deshalb über die Abbildung im Feld gar nichts aussagt. Nur so nebenbei.

ZdS_01.jpg

Der nächste Fall ist ähnlich seltsam: Ein Strehl von mindestens 0.90 soll es sein. Der Sternfreund will eine High End Kamera. Baut demzufolge ein Drohkulisse auf
als ein in der Zit: "AstroSzene kein Unbekannter". (Nun gibt es in der AstroSzene eine Reihe von solchen Leuten, mit denen man nicht unbedingt Kontakt pflegen muß.)
In diesem zweiten Fall pendelt der Strehlwert um die Beugungs-Grenze herum, und ich werde weiter auch keine Strehlangaben machen, noch irgendwelche
Interferogramme veröffentlichen, mit denen man auch Schindluder treiben kann . . .

Wir sind einen anderen Weg gegangen. Mit genau dieser Kamera entstand gestern abend das folgende Roh-Bild, mit einer ATIK 4000 SW aufgenommen mit gerade
mal 30 Sekunden. Es ging einzig und allein um die punktförmige Abbildung besonders in den Ecken der 16.26 x 16.26 mm Chip-Größe.

Bei entsprechender Nachführung, und stundenlanger Computer-Nachbearbeitung über viele, viele Einzelaufnahmen bekommt man wunderbare Ergebnisse, denen
man den Strehlwert auf der Achse in keinem Fall mehr ansieht, so man nicht ein Strehl-Fetischist ist. Der obere Artificial Sky Test bzw. künstliche Stern-
himmel bei Höchstvergrößerung und 3-5 Mikron großen Pinholes ist ein wunderbarer Übersichts-Test für visuell genutzte Teleskope, da er alle Fehler in einer
Übersicht zeigt. Für die Beurteilung von fotografisch genutzten Teleskopen gibt dieser Test nicht die Realität wieder, da keine Nachvergrörßerung des Fokus-Bildes
durch ein Okular stattfindet. Deshalb ist eine Feldaufnnahme am Himmel die bessere Information. Insofern beschreibt ein Interferogramm auf der opt. Achse
lediglich die dortige Qualität, und mehr leider nicht. ( bei Zweispiegelsystemen mit Blendrohr etc. kämen noch die Effekte der Vignettierung hinzu, die u.a.
bildverbessernd wirken können. Eine Verkippung von Kamera und Teleskop führt zu einer Bildverschlechterung)

ZdS_02.jpg

So ist der Strehl-Wert immer nur auf der opt. Achse für visuelle Nutzung eines Teleskopes in einer bestimmten Spektral-Farbe eine wertvolle
Information! Für die fotografische Nutzung nützt der Strehlwert auf der opt. Achse wenig, da viel mehr die Abbildung im Feld interessiert und in
der Regel nicht über einen Strehlwert, sondern über Spot-Diagramme dargestellt wird, ohne Angabe eines Strehlwertes. Und selbst wenn man, wie
im ersten Bild, die Situation im Feld darstellt, wäre jeder Strehl-gläubige traurig über die Strehlwerte bei 1° Verkippung, die von Astigmatismus und
Koma systembedingt kräftig nach unten gezogen werden.

Bei einem 250/2000 f/8 RC-System liegt bei Durchmesser 23 mm im Fokus am Rande der Strehl bei 0.2082. Auf der opt. Achse hingegen sind es
stolze 0.9999 Strehl. Wer deshalb bei fotografischen Systemen auf einem hohen Strehl auf der opt. Achse besteht, hat keine Information
darüber, wie gut das System im Bildfeld ist.

Dazu ein Beispiel mit ZEMAX simuliert:

Bei einem absolut ebenen Bildfeld, also ohne Bildfeld-Radius, würde folgende Situation entstehen. Auch fehlt noch die Optimierung zwischen opt. Achse
und Bildfeld-Rand, was die Abbildung auf der Achse etwas verschlechtert und das Feld verbessert. Es geht mir nur um den Unterschied einer perfekten
Abbildung auf der opt. Achse und am Bildfeld-Rand bei der ATIK 4000 SW mit einer Diagonale von 23 mm.

Man wäre "geblendet" vom hohen Strehl auf der Achse und wüßte nichts vom Strehl am Rand. An dieser Stelle verliert der Strehlwert etwas an
Information. Zwischen Achsabstand 5mm bis 10 mm sinkt der Strehlwert deutlich erkennbar, bei 11.5 mm oder 23 mm Diagonale sinkt dieser
Wert signifikant. Das sieht man bereits an den Spotdiagrammen im Vergleich zum Airy-Scheibchen als "Messlatte". Was man an der ZEMAX-Simulation
noch gut zeigen kann, wird man auf der Fotografie am Himmel eher weniger wahrnehmen können, schon weil noch viele andere Fehlermöglichkeiten
ins Spiel kommen, wie das oberste Beispiel zeigt.

ZdS_03.jpg

Ergänzung am 23.04.2011

Über diesen Sachverhalt entsteht gerade eine sehr sinnvolle Diskussion über die Beurteilung von fotografisch genutzten Teleskopen, die
man über einen Strehlwert auf der opt. Achse nur bedingt richtig einschätzen kann. Was für visuelle Testverfahren gilt, die fast ausschließlich
auf der opt. Achse erfolgen, gilt nur begrenzt für die Beurteilung eines Bildfeldes, das in erster Linie eben sein sollte mit minimiertem
Koma + Astigmatismus. RC-Systeme, egal wie das Design ausfällt, schneiden in dieser Hinsicht sehr gut ab. Fehler, die man auf der opt.
Bank sofort erkennen kann, werden über das Seeing so "verschmiert", daß wieder nur runde Sternpunkte herauskommen.

Zunächst die Simulation an einem 8" Newton f/5, dessen Koma-Anteil im Feld sich nocht in Grenzen hält. Trotzdem fällt der Strehlwert bereits bei
Felddurchmesser von 8 mm regelrecht in den Keller. Daran stört man sich zunächst nicht und besorgt sich eventuell einen Koma-Korrektor. Die
Defokussierung von nur 0.1 mm richtet noch mehr "Schaden" an.

ZdS_05.jpg

Der TOA 130/1000 ist ein Spitzen-Teleskop - auf der opt. Achse. Im Feld von nur 20 mm reagiert diese Optik, wie jede Refraktor-Optik mit Koma und Astigmatismus.
Das schaut dann so aus.

ZdS_06.jpg

Das Interferogramm 532 nm wave zeigt bei 20 mm Durchmesser die typischen Merkmal von Koma (= "S"-förmige Durchbiegung) und
Astigmatismus, (ansteigender Streifenabstand). Bei der Fotografie wird man das deswegen nicht erkennen, weil das Seeing die Sternpunkte
"rund" verschmiert.

ZdS_07.jpg

Die Energie-Verteilung (Point-Spread-Function) schaut etwas "trauriger" aus, als auf der Achse.

ZdS_08.png

Und hier die Summen-Anteile der einzelen, etwa gleichgroßen Fehler: Nur Astigmatismus bei PV L/1.9 oder 0.666 Strehl, Coma bei PV L/2.0
oder 0.746 Strehl. Spätestens jetzt wird deutlich, daß der a) Strehlwert eine ganz spezifische Information abliefert, die stark vom Blickwinkel
der Nutzung abhängt, und b) bezogen auf die Astro-Fotografie andere Kriterien wichtiger werden.

ZdS_09.jpg

In einem anderen Fall bei einem 10" GSO RC würde der Test auf der opt. Achse und im Feld folgende Situation ergeben. Auch hier wird man auf der Fotografie selbst
überhaupt nichts erkennen, weder die Überkorrektur noch den leichten Astigmatismus im Feld.

@Sch10KlevTAL06.jpg

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Hallo,

laut SkyX ist in dieser Gegend (rote Box) jede Menge an engen Doppelsternen. Die gelb gefüllten Sterne sind es. Also nicht nur Omega Leonis.
Was dessen Abstand betrifft, da streiten sich offenbar die Geister: http://www.avgoe.de/Himmel/java/binaries/omegaLeo.html

ZdS_04.jpg

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Hallo Stefan,

meinen ursprünglichen Beitrag #01 habe ich ergänzt/erweitert durch Beispiele, bei denen ich mich ebenfalls mit diesem Thema befasst hatte. Dieses Thema wird uns
noch mindestens mehrere Wochen beschäftigen, indem der Stefan den Part am Himmel mit "Strehl"-geschädigten Astrokameras übernommen hat, (ich hab da zu wenig
Ahnung) und mir wird es ein Vergnügen sein, derartige "Gurken" (leichtfertig als solche bezeichnet) auf der opt. Bank im Feld zu untersuchen.

Die Beurteilung auf der opt. Achse ist vorwiegend visuell motiviert mit spezifischen Tests, die Beurteilung im Feld hat mehr mit der Astrofotografie zu tun
und erfordert ganz eigene Tests u.a. den Praxisbeweis am Himmel. http://www.teleskop-service.de/Aufnahmen/foto.-.resultate.gso.8z.rc.200mm.f8.php

Ich habe mal untersucht, in welchem Verhältnis mein Artificial Sky Test zur Auflösung der ATIK 4000 Kamera steht, was bei der Frage, wieviel Strehl ein Kamera-Objektiv
braucht, weiterführen kann: Der Kugelspiegel liegt in der Nähe der 10" GSO RC = 250/2000.

Etwas ausführlicher meinen Gedankengang: Der Artificial Sky bzw. künstliche Sternhimmel besteht aus vielen 3-5 Mikron kleinen Pinholes. Manche davon gleichen
Doppelsternen, sodaß man unter einem Mikroskop sowohl den Durchmesser der Pinholes, aber auch den Mitten-Abstand dieser Pinholes mit einer 0.001 Meßuhr ver-
messen kann. Als markante Figur benutze ich die 5-er Gruppe: drei enge "Doppelsterne" in der Mitte mit exakten Abständen 10µ und 8µ und vier Sterne außen herum,
was die Erkennbarkeit fördert. Die Auflösung bzw. der Abstand dieser drei Sterne mit 10µ (Mitte-links) und mit 8µ (Mitte-rechts) sagt in erster Linie etwas über die
Auflösung der jeweiligen Optik aus, wenn man diesen Abstand durch die Brennweite teil und über den inv tan den AuflösungsWinkel ermittelt. Dem Bild nach zu urteilen,
würde die Optik mindestens 6µ trennen, vermutlich sogar noch 5µ. Aus inv tan(0.006/2400) Das ergäbe einen Auflösungswinkel von 0.52 arcsec. Über die Formel bei
Tipps und Tricks, Baader, wäre 138.4/250 ebenfalls 0.5536 arcsec.
Mit dieser Dreiergruppe hat man also eine Meßlatte unabhängig vom Testaufbau, an der man die Auflösung von opt. Systeme untersuchen kann einschließlich
ihrer Fehler. Damit kann man im Labor bei perfektem Seeing einige Rückschlüsse auf die Abbildung ziehen. In der Praxis hat man es beim Fotografieren mit der Pixel-
größe einer Kamera zu tun. Im Falle der ATIK 4000 liegt ein Pixel-Quadrat bei ca. 8x8 Mikron. Mögen es 7.6 Mikron sein, der Mittenabstand berechnet sich aus der
Kantlänge des Chips geteilt durch die Anzahl der Pixel mit 2047, das sind dann die Dateien für den Computer: 2047 x 2047 PixelxPixel.
In ganzes ATIK 4000 Pixel deckt also die rechte Seite der Dreiergruppe ab, sodaß man annehmen kann, daß Fehler, die kleiner sind, darin einfach verschwinden.
Berechnet man den Airy-Scheibchen-Durchmesser bei einem 10" GSO RC, dann landet man erneut bei einem Durchmesser von ca. 11 µ. Aus Spotdiagrammen weiß
man, daß Fehler innerhalb des AiryScheibchens ebenfalls verschwinden, auf jeden Fall für die Fotografie.
Am Himmel kommt in jedem Fall noch ein deutliches (schlechtes) Seeing hinzu, das einen Stern gründlich um ein Zentrum herum "verschmiert", was als Speckles
bekannt ist und von Computern zurückgerechnet werden kann.
Damit dürfte zweierlei klar sein:
- in einem ATIK 4000 Pixel verschwindet so mancher optischer Fehler
- ein hoher Strehl ist für eine Astrokamera gar nicht erforderlich, nur wie groß muß er mindestens sein.
Die Antwort wird immer nur der Vergleich von Labor-Ergebnissen mit Astro-Fotos geben können, und da habe ich schon verblüffende Ergebnisse gesehen,
z.B. von den Fotografen der Sternwarte Feuerstein mit einem C14.

Vergleich1.png

 

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