A022 Farbreiner durch Glasweg Glasweg-Diskussion 09.01.2011

Farbreiner durch Glasweg? Glasweg-Diskussion

Die Diskussion taucht bei einem Refraktor immer wieder auf, besonders wenn man bei einem APO ein Bino verwenden will: Wie verändert ein nicht unerheblich
langer Glasweg aus zumeist BK7 Prismen die Farbreinheit eines Systems. Schon ein Amici-Umkehrprisma kann die "Farbreinheit" eines APO's empfindlich
beeinflussen. Bei einem Kugelspiegel kann man unter Verwendung eines zusätzlichen Glasweges ein Sekundäres Spektrum erzeugen, das sich über einen
Foucault-Test ganz einfach nachweisen läßt.

@Gl_Weg09.jpg

Aus diesem Grund gibt es eine Reihe von Refraktor-Systeme, die mit Glasweg konzipiert worden waren, u.a. bestimmte APQ's von Zeiss, aber auch weniger
bekannte Refraktoren, die mit Glasweg farbreiner werden. Dabei spielt aber die Länge des Glasweges ebenso eine Rolle, wie die Qualität der Prismen und
natürlich die Brechungs-Indizes des verwendeten Glases selbst. Die Beurteilung, ob ein System wirklich farbreiner geworden ist, ist individuell verschieden.
Wenn man beispielsweise als Glasweg ein Amici-Prisma verwendet, bekommt man bei einem 2" Amici-Prisma einen ziemlich langen Glasweg, der tatsächlich
die Farbsituation deutlich verschlechtern kann. Anlaß für diese Diskussion war ein Baby-TAK 60/355, bei dem sich die Veränderung durch einen Glasweg
ebenso zeigen läßt, wie bei einem TOA 130/1000.

Der Farblängsfehler läßt sich entweder über Interferogramme des jeweiligen Spektrums in der 0.707-Zone ermitteln, oder über die Umrechnung der
Power in Nanometer zu Mikron der Längsfehler-Differenz. In der Regel fällt die Ermittlung über die Power etwas besser aus, wobei beide Verfahren
eine Streubreite von mindestens +/- 2 Mikron haben mit der entsprechenden Auswirkung auf die RC_Indexzahl. Davon unabhängig zeigt sich in
jedem Fall aber die Tendenz, die sich auch z.B. sehr gut über den Fouault-Test nachweisen läßt. Sicher läßt sich feststellen, daß der Glasweg
von einem 2" BK7 Glasweg als Zenit-Prisma zu einer Verkürzung des Sekundären Spektrums führt und zu einer leichten Verbesserung der Farb-
situation. Bei längerem Glasweg verschlechtert sich das jedoch wieder.

@Gl_Weg08.jpg

Ein Amici-Prisma führt bereits bei der 1 1/4 Zoll Variante einen Glasweg von 36.70 mm ein.

@Gl_Weg01.jpg

Bei einem 2" Zenitprisma ist der Glasweg mit ca. 50 mm ziemlich eindeutig.

@Gl_Weg02.jpg

Im Zusammenhang mit einem TOA 130/1000 hat sich ein Glasweg von 26 mm Länge als Optimum erwiesen, das 2" Zenit-Prisma dreht das Sekundäre
Spektrum gewissermaßen herum, und führt dann zu den umgekehrten Farbsäumen.

@Gl_Weg03.jpg

Zunächst ein Vergleich der Ermittlung des Sekundären Spektrums über beide Verfahren: a) gemessen mit einer digitalen Meßuhr b) über die Power in Mikron umgerechnet.
Dabei ist die Reduzierung der RC_Indexzahl weniger signifikant als die folgenden Bilder von Foucault- und Sterntest. Man sieht aber die leicht abweichenden Zahlen zwischen
den beiden Verfahren.

@Gl_Weg04.jpg

Vergleicht man das 1. mit dem 3. Foucault-Bild, dann "dreht" der Glasweg von 47.37 mm das Sekundäre Spektrum gleichsam herum. Ohne Glasweg
beginnt das Sek. Spektrum mit F, e, C, d mit Glasweg beginnt es mit C, d, e, F. Foucaultbild 1. und 3. sind in etwa spiegelverkehrt. Aus dieser Über-
legung fand ich die Frage interessant, welchen Effekt dann etwa die Hälfte des Glasweges hätte, in meinem Fall 26 mm. In diesem Fall verschwinden die
Farbeffekte fast völlig und das Bild wird ziemlich weißlich, als hätte man ein Spiegelsystem vor sich. Verwendet man statt des Glasweges den TSFLAT2
als Feldkorrektor, dann wird das Foucault-Bild wieder um einiges farbiger, dafür hätte man aber eine sehr gute Feldkorrektur, wie man am letzten Bild
sehen kann.

@Gl_Weg05.jpg

Nicht ganz so deutlich läßt sich das über den Sterntest zeigen, der aber dennoch die Tendenz bestätigt, wenn man sich besonders die Farbränder der einzelnen Scheibchen
betrachtet. Farbrand 1a (intrafokal) findet man bei 3b (extrafokal) wieder, durch den 47.37 mm Glasweg war die Reihenfolge der Spektralfarben umgekehrt worden., wie oben
beim Foucault-Test zu sehen. Bei 2a/2b verschwindet der Farbsaum fast völlig. Bei 4a/4b verlängert der Flattner das sekundäre Spektrum, sichtbar durch einen ausgeprägten
Farbsaum.

Mit 26 mm Glasweg käme also der TOA 130/1000 noch etwas farbreiner heraus, ein längerer Farbweg verschlechtert allerding die Situation wieder, sich sich auch bei Verwendung
des TSFLAT 2 erkennen läßt.

@Gl_Weg06.jpg

Was aber dennoch für den TSFLAT 2 spricht, ist die enorme Feldkorrektur bei einem Fokus-Abstand von 105 mm zum Flattner. Der Farbsaum allerdings ist auch gut erkennbar.

@Gl_Weg07.jpg

Man kann also schon zeigen, ob ein Glasweg mit einer bestimmten Länge zu einer Verbesserung der Farbsituation führt oder nicht. Das gilt aber zunächst erst einmal für den
achsnahen Bereich, also für die visuelle Beobachtung. Wieviel man davon allerdings am Himmel zu sehen bekommt, ist individuell verschieden, was sowohl den
Beobachter selbst, wie den einzelnen Refraktor betrifft, der auch als Individuum betrachtet werden kann.

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Farbreiner durch Glasweg?

Diese Frage läßt sich am Beispiel eines FS 60 C von Takhashi (sog. Babytak) derzeit so beantworten: Bezieht man sich auf die durchschnittliche spektrale
Empfindlichkeit eines Durchschnitts-Auges am Tag, also bei 555 nm/100% wave als Hauptfarbe und Blau (486.1 nm/18%) im kürzeren (Violett würde das
Auge nur noch mit 2% wahrnehmen), und Rot (656.3 nm/10%) im längeren Spektrum, dann bringt im Falle des FS60C ein Glasweg von 47.37 mm eine
leichte Verbesserung. Umgekehrt ist die Situation jedoch in der Nacht. Jetzt wäre die Maximalempfindlichkeit eines Durchschnitts-Auges bei Blaugrün
(510 nm/100%) und Violett (435.8 nm) mit 20% der Wahrnehmuung die Grenze im kürzeren, Gelb (587.6 nm) mit 10% der Wahrnehmung hingegen die
Grenze im längeren Spektrum. Rot würde das Auge nicht mehr wahrnehmen. Dieser Umstand hat im Falle des FS60C damit zu tun, daß für Violett nicht nur
die Überkorrektur stärker zunimmt, sondern auch die Schnittweite deutlich hinter den übrigen Farben liegt. Die Glaswegdiskussion müßte man daher unbe-
dingt auf die Situation der Nachtbeobachtung erweitern und der Frage nachgehen, welche Situation für die Nachtbeobachtung bei Refraktoren entsteht, die
ihr Optimum bei Gelb-Rot haben (587.6 nm - 656.3 nm) und wie sich dann das violette Spektrum verhält. Es wäre also Teil Zwei der Glasweg- Diskussion.

Eine gesicherte spektrale Empfindlichkeits-Kurve, sog. Luminosity-Curve, habe ich aus zwei Quellen erstellt: Für das Tag-sehen wäre die DIN 5031-3 ziemlich exakt,
während für das Sehen in der Nacht die Veröffentlichung von H.J.Charwat Springer Verlag, "Das Ingenieurwissen" 33. akt. Auflage 2007 recht informativ ist. Das Diagramm
im Buch Clark, R.N., Visual Astronomy of the Deep Sky, Cambridge University Press and Sky Publishing, 355 pages, Cambridge, 1990, wäre für eine genauere

Untersuchung
leider nicht exakt genug. Eine Auflistung wie im Falle der DIN 5031-3 habe ich leider nicht gefunden.

Ein weiteres Dilemma entsteht dadurch, daß man beim Messen nur konkrete Werte für bestimmte Spektral-Linien erhält. Und wollte man den Bereich zwischen
den Spektrallinien stärker gewichten, so müßte man sehr viele Einzelmessungen machen in kleinen spektralen Schritten, was aber nicht unbedingt einer besseren
Information dient. Die üblichen Diagramme sind auch über punktuelle Einzelmessungen entstanden.
Man kann also prinzipiell betrachten a) die Empfindlichkeit an einer bestimmten Stelle des Spektrums und b) die Empfindlichkeit in einem bestimmten Bereich des
Spektrum, bzw. zwischen zwei Spektral-Linien. Diese Sichtweise ist prinzipiell "unschärfer", weil zunächst die Kurve selbst eine interpolierte Kurve ist, die eine
bestimmte (Bereichs)-Fläche unter sich einschließt. Die Diagramme halten sich prinzipiell an Sichtweise a).


@Muster_Curve.png

Ohne Glasweg scheint nun der kleine Babytak für die Nachtbeobachtung gebaut worden zu sein, was die Diagramme sehr eindrucksvoll beweisen.

FS_Tag-oG_Diagramm.png

Dort wo in der Nacht die Maximal-Empfindlichkeit liegt, wären auch die Strehlwerte am höchsten, bzw. der Farblängsfehler und Gaußfehler äußerst gering.

FS_Nacht-oG_Diagramm.png

Umgekehrt läßt sich die Farbsituation am Tage im Falle des Babytak mit einem Glasweg deswegen verbessern, weil das Violett in der Tageswahrnehmung
keine Rolle spielt, sehr wohl aber in der Nacht.

FS_Tag-mitG_Diagramm.png

und weil Violett mit ca. 20% vom dunkeladaptierten Auge wahrgenommen wird, beeinflußt es damit erheblich über den Farblängs- und Gaußfehler die
Gesamtsituation. Drückt man das analog zum Tagsehen in einer RC_Indexzahl aus, so kommt ein wesentlich schlechterer Wert heraus.

FS_Nacht-mitG_Diagramm.png

Ein Praxis Test

Interessant ist der Vergleich mit der Praxis. An einem Strommast, mit Isolatoren, dem stromführenden Stahlseil, und den Verbindungs-
Trägern bieten sich bei Sonnenlicht künstliche Sterne an und dunkle Kanten, an denen man die Farbsituation studieren kann ohne Glasweg
und mit Glasweg - allerdings nur tagsüber:

Anders als von der DIN-Norm zu erwarten wäre, sieht man Violett mit einer höheren Deutlichkeit, obwohl es nur mit 2% der
Empfindlichkeit angegeben wird. Analog zu dieser Luminosity-Kurve für das Tagsehen errechnet sich die RC _Indexzahl aus
dem Fokus-Punkt für die e-Linie = 546.1 nm wave und den Grenzen des sichtbaren Spektrums mit Blau = 486.1 nm und Rot
mit 656.3 nm wave = H_alpha. (Für das nachtadaptierte Auge gilt 510 nm als Maximum und Fokuspunkt, 435.8 nm (Violett)
und Gelb = 587.6 nm hingegen als die Grenzen der Wahrnehmung. Für Rot ist das Auge in der Nacht unempfindlich. Bei der
Planeten-Beobachtung und ganz besonders bei der Mondbeobachtung wechselt das wieder in die Tag-Empfindlichkeit,
ebenso ist die Fokuslage bei einem blauen Stern ebenfalls eine andere.

Die violetten Farbsäume beim Glasweg führen deshalb zum Eindruck, daß sich die "Farbigkeit" erhöht. Auch reduziert die
Qualität der verwendeten Amici-Prismen bei ca. 50 mm Glasweg sowohl die opt. Qualität und verlängert überdies den Fokus
um mindestens 15 mm.

Die wichtigste Erkenntnis daraus ist, bei einem Refraktor beide Situationen getrennt zu untersuchen: Ein RC-Wert der für die Tages-
Kurve paßt und ein RC_Wert für das nachtadaptierte Auge, so ähnlich, wie die Säulendiagramme das zeigen.

Da bei der Tagesbeobachtung das Violett laut Curve nur noch mit 2% Wahrnehmung eingeht, wird Blau und Rot als Grenze angesehen.
Das wären dann ohne Glasweg im Vergleich zu Grün Blau - 12.8 µ und Rot 151.3 µ. Mit Glasweg Blau + 64.2 µ und Rot + 76.8 µ.
Damit sind rechnerisch mit Glasweg die Abstände etwas kürzer. Unter Einbeziehung von Violett bekommt man die umgekehrte
Situation: Jetzt wäre das Ergebnis deutlich schlechter und entspricht der Wahrnehmung an dunklen Kanten (oberer Strommast)

Eindeutig wird die Berechnung erst wieder, wenn man vom Nachtsehen ausgeht, weil da Violett mit 20% Wahrnehmung eine Rolle spielt.
Nun ist es auch mathematisch eindeutig, daß der Glasweg zu einer farblichen Verschlechterung führt.

FS60C_Gl-Vergleich.png


Noch eine Anmerkung:

01. Die Luminosity Kurve für das Tagsehen beruht u.a. auf der bereits erwähnten DIN 531-3, von der ich zunächst ausgehen muß, daß diese prozentuale Verteilung
für das Durchschnitts-Auge hinreichend gesichert ist. Wenn also dort eine Empfindlichkeit für Violett (g-Linie) von max. 2% angegeben ist, dann sollte diese Angabe
eigentlich stimmen.

02. Die Frage nach dem Fokusier-Punkt läßt sich ebenso vielfältig diskutieren. Nicht umsonst spricht man zunächst von der Hauptfarbe. Das wäre bei Tag die maximale
Empfindlichkeit eines Durchschnitts-Auges in der Gegend von 550 nm, 555 nm. In der Optikrechnung verwendet man die e-Linie mit 546.1 nm wave oder 550 nm wave
(ZEMAX). Für die Nachtbeobachtung käme dann 510 nm in Frage.

Nun haben viele Teleskope wegen der sphärischen Aberration den höchsten Strehl bei Gelb, oft bei Rot, und eher seltener bei 510 nm wave. Es könnte also sein, daß
man dort fokussiert. Ebenso wahrscheinlich ist jedoch, daß man auf die Farbe scharf einstellt, die im Gesamteindruck dominiert, unter Berücksichtigung des Farblängs-
fehlers und des Gaußfehlers. Damit wäre eine Vergleichbarkeit von APO's nicht mehr möglich, und sie wären vollständig individuell zu behandeln:
Damit würde man aber dem Hersteller in die Hand spielen, der Vergleiche mit der Konkurrenz scheut und stattdessen sein Produkt herausstellen möchte.