A132 Sechs reisetaugliche Refraktoren Interstellarum Nr 73 Dez-Jan 2011 S48ff

Sechs reisetaugliche Refraktoren Interstellarum Nr. 73 Dez/Jan 2011, S48ff

Die Ergebnisse zu dieser Übersicht entstanden auf meiner opt. Bank. Da aber erfahrungsgemäß meine Ergebnisse den Rahmen
einer solchen Übersicht sprengen würden, möchte ich, wie bereits in einem anderen derartigen Bericht auch, meine Ergebnisse
hier etwas ausführlicher darstellen. Den Grund liefert mir das Leser-Echo z.B. auf einem Astronomie-Forum: Dort kommt es zu
einer weiteren Reduzierung einer von mir zunächst sehr differenziert angelegten Information.

Vorwort:

Wer sich heute aus dem Mittelklasse-Bereich ein Auto, also eine "Reise-Limousine" kauft, fokussiert sich nicht nur auf den Sprit-
verbrauch, die Farbe oder den Preis. Er wird ein Bündel weiterer Kriterien anführen und trifft erst in der Summe aller Merkmale
seine individuelle Entscheidung, nachdem er sinnvollerweise auch noch eine Probefahrt gemacht hat.

Wenn sich heute ein Sternfreund ebenfalls für ein Reise-Teleskop entscheidet, dann sollte er sich ebenfalls nicht auf einzelne
Merkmale wie Strehl oder RC_Index-Zahl fokussieren, und wie beim Auto auch, sollte er vielleicht einmal einen Blick durch sein
zukünftiges Reise-Teleskop werfen. Leider ist das offenbar nicht immer die Wirklichkeit, wenn man den folgenden Forenbeitrag
hier verfolgt. Neben der Schnäppchen -Mentalität kommt es immer wieder zu einer Verkürzung von Information und das Bewußt-
sein für Qualität geht ohnehin "baden".

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Basis des oberen Beitrages scheint die Übersichts-Seite im Interstellarum-Bericht zu sein, und wer sich nur auf Strehl und RC_Index fokussiert, verliert
wesentliche Informationen aus den Augen, die bereits in den Foucault-Bildern erkennbar wären. Doch dazu später mehr in meinem eigentlichen Bericht
im nächsten Beitrag.

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Spätestens wenn man die Ergebnisse etwas differenzierter betrachtet, wird deutlich, daß im RC_Index leider nicht alle Informationen stecken, ebensowenig wie im Strehl-
wert auch, weil sich der immer nur auf eine spezifische Farbe bezieht. In der Regel auf Grün = e-Linie = 546.2 nm wave oder einfacher auf 550 nm wave.

Künstlicher Sternhimmel bei Höchstvergrößerung

Fokussiert man sich lediglich auf die RC_Zahl, dann würde man beim Omegon 66ED den Rest-Astigmatismus ebenso unterschlagen, wie bei Astro-Professional einen
nachweisbaren Zentrierfehler, das TS-IN-ED70 ebenfalls mit Restastigmatismus, bei Borg Mini ED 60 wäre die sphärische Aberration nicht ganz Null, bei William Optics
Megrez 72 schließlich ebenfalls Zentrierfehler und deutlicher Farblängsfehler, während der Takahashi zwar auch einen ganz zarten Zentrierfehler hätte, aber jeden-
falls keinerlei Restastigmatismus und im Vergleich zu den anderen Ergebnissen mit die beste Abbildung bringt, fragt man den künstlichen Sternhimmel, bei 177-facher
Vergrößerung. Bereits die erste Übersicht wäre ein Hinweis, daß eine verkürzte Information nicht unbedingt richtiger sein muß.

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(Der hohe Strehlwert erklärt sich über meine Balken-Diagramme, die später noch eingehender besprochen werden.)

defokussierte Sternscheibchen intra-, extrafokal

Über den Farbrand läßt sich zurückschließen auf die Reihenfolge der Farbschnittweiten, die bekanntermaßen auf einer "Brennlinie" hintereinander liegen. Bei Achromaten kommt
für gewöhnlich das grün/gelbe Spektrum zuerst, gefolgt von BlauRot. Daher muß intrafokal der Rand eines defokussierten Sternscheibchen mehr purpurfarben sein, also Rot-
Blau gemischt und extrafokal die Umkehrung, also nun das Gelb-Grün gemischt, weil die Schnittweiten von Gelb-Grün kürzer sind. Dieser Systematik folgen vier der Refraktoren:
"A" und "B", "E" und "F", alle mit ähnlichen RC_Index-Werten. Besonders "A" und "B" scheinen den gleichen Hersteller zu haben und werden nur unter verschiedenem Label
verkauft. Auch "D" bzw. Borg Mini ED 60 paßt in diese Systematik, auch wenn die RC_Index-Zahl etwas kleiner ausfällt. Wirklich aus dem Rahmen fällt nur "C" von Teleskop
Service IN ED70 mit einer anderen Folge der Farbschnittweiten.
Dadurch entsteht über den defokussierten Sterntest bei mittlerer Vergrößerung der Eindruck, daß es sich bei den kleinen Reise-Refraktoren jeweils um
sehr ähnliche ED Zweilinser handelt, egal ob vom gleichen Hersteller oder als Produkt-Plagiat.

Und damit wird die RC_Indexzahl in ihrer Aussagekraft deswegen eingeschränkt, weil es prinzipiell die gleichen Systeme sind, also die Unterschiede
eher ein Problem der Herstellung und nicht der Berechnung sind.

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Farblängsfehler, Gaußfehler, Korrektur-Situation

Die nun folgende Übersicht hat ebenfalls weniger mit der RC_Indexzahl zu tun und könnte eher eine Frage der Fertigung sein, mit der allseits bekannten Streubreite. Die
farbigen Kreise in jedem Feld wäre zunächst die Reihenfolge der Farbschnittweiten bezogen jeweils auf die Hauptfarbe Grün = e-Linie = 546.1 nm wave. Dort wo eine Farbe
mit einer Box gekennzeichet ist, wäre die sphärische Aberration am geringsten, der Gaußfehler geht also dort gegen Null. Bei Omegaon 66ED wäre das bei 546.1 nm wave
bei Astro-Professional hingegen bei Blau = 486.1 nm wave. Das bedeutet für diesen Refraktor, daß Rot entsprechend unterkorrigiert reagiert, für Blau wäre er hingegen
perfekt. Bei Teleskop Service IN ED 70 wäre es hingegen genau umgekehrt: Jetzt wäre im roten Spektrum der Gaußfehler am kleinsten, demzufolge alle kürzeren Wellenlängen
überkorrigiert, und das sieht man dem Foucault-Bild auch sehr deutlich an. Mit einer Abstands-Änderung der beiden Linsen läßt sich das wiederum variieren, wenn man
das Optimum mehr im grünen Spektrum haben will.
Für die visuelle Beobachtung nachts, bei dem ein Durchschnitts-Auge sein Optimum bei 510 nm wave hat, wäre somit Refraktor "D", "E", und "F" perfekt. Und nun wäre
die Reihenfolge der Farbschnittweiten nahezu synchron, wobei lediglich der Borg Mini ED 60 etwas farbreiner ausfällt und man überlegen kann, was die kürzeren Schnittweiten
verursacht. Auch in diesem Fall eignet sich der RC_Index-Wert nicht unbedingt als Qualitäts-Kriterium.
Die Refraktoren unterscheiden sich also zunächst über den Gaußfehler, da die Linsenabstände variieren, wobei drei Refraktoren nahezu identisch sind, auch
wenn in einem Fall der RC_Index etwas kleiner ist.

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Ronchi-Test 13 lp/mm intrafokal

Auch über den Ronchi-Gittertest läßt sich der gerade beschriebene Sachverhalt verdeutlichen. Bei Astro-Professional liegt das Optimum bei Blau, also reagiert das
längere Spektrum unterkorrigiert. Beim Teleskop Service IN 70 genau umgekehrt, also reagiert das System überkorrigiert im kürzeren Spektrum. Die drei Refraktoren,
die auf 510 nm optimiert sind, haben ebenfalls eine leichte Unterkorrektur. Viisuell wird das kaum auffallen. (Bei dieser Übersicht habe ich die ursprüngliche Reihen-
folge beibehalten, die später von Interstellarum geändert worden war.)

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Der Poly-Strehl oder Farblängsfehler + Gaußfehler

Die RC_Indexzahl beruht ausschließlich auf dem Farblängsfehler, der farbabhängige Öffnungsfehler spielt bei dieser "Übersichts- bzw. Unterscheidungszahl"
keine Rolle. Solange das Fehlerverhältnis von FLF (Farblängsfehler) und Gaußfehler in Richtung FLF ausschlägt, spielt logischerweise der Gaußfehler die
untergeordnete Rolle. Das ändert sich jedoch mit zunehmender Qualität (Farbreinheit) eines Refraktors, weshalb die Optik-Designer auf den Begriff
"PolyStrehl" verfallen sind, und lassen sich die schönsten Diagramme rechnen von ihren Opical Design Programmen.
Siehe hier: http://rohr.aiax.de/TSA-102_PSF_700.png, http://rohr.aiax.de/TMB_PolyStrehl- Tabelle.jpg
Aus dem Blickwinkel der Meßtechnik ist das eine ungemein schweißtreibende Angelegenheit und kein Zeiss-Hersteller oder LZOS käme auf die Idee, über den
meßtechnischen Weg einen PolyStrehl über 30 Einzelfarben ermitteln zu wollen, wie das von den allereifrigsten Experten auf einem Forum einmal gefordert
wurde. Das hatte mich zu folgendem Bericht animiert: Der Unfug mit dem Polychromatischen Strehl

Geht man trotzdem einmal diesen Weg unter vertretbarem Arbeits-Aufwand, dann kann man auf Basis von fünf Spektral-Bereichen jeweils ein Säulen-
Diagramm erstellen, was der theoretischen Idee der Optik-Designern entgegen kommt: Also im Bereich der F-Linie (486.1 nm), der visuellen Nacht-
empfindlichkeit (510 nm ), der e-Linie (546.1 nm) der d-Linie (587.6 nm) und der C-Linie = H-alpha (656.3 nm).

Und wie die Optik-Designer auch sollte man dann Zentrierfehler in Form von Achskoma und Rest-Astigmatismus als Fertigungsfehler (Fassung) abziehen
dürfen, also Fehler, die beim Entwurf einer Optik im Rechner noch nicht vorkommen.

Auf dieser Basis beruht deshalb der nun folgende Vergleich. So unlogisch ist er gar nicht und er stellt einen deutlichen Unterschied dar zum Bericht im Heft
73/Interstellarum. Und weil er vermutlich schwerer zu vermitteln ist, dieser Vergleich über die Polystrehlzahl, also FLF+Gaußfehler, fiel er dort unter
den Tisch. Das soll also hier nachgeholt werden für diejenigen, die sich dafür interessieren.

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Da also jetzt auf Grün = 546.1 nm wave = e-Linie der Fokus "eingeforen" worden ist, sinkt bei allen Farb-Schnittweiten, die sehr weit von dieser Farbe entfernt liegen,
der Strehlwert deutlich nach unten, weil dies die Power so bewirkt. Über die Power drückt sich nämlich der Farblängsfehler aus, über die sphärische Aberration hingegen
der Gaußfehler. Im Beispiel 01. hat Rot mit dem kleinsten Strehlwert den größten Abstand zu Grün, und Grün dafür den höchsten Strehlwert.

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Nicht besonders verschieden wäre auch das zweite Beispiel, das die Vermutung fördert, es könnte sich hier um den gleichen Hersteller handeln.

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Anders hingegen Nr. 03. Jetzt wäre Blau am weitesten von Gelb-Grün entfernt, die auf eine Schnittweite zusammenfallen. Trotz systembedingter
Überkorrektur käme es für Grün noch immer auf Strehl 0.936. Man sieht es ganz links dem grünen Interferogramm trotz Coma an, daß dieser
Spektral-Bereich leicht überkorrigiert ist.

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Bei TAK muß der Gaußfehler deutlich reduziert sein. Anders ist der hohe Strehl zwischen Blau, Blau-Grün und Grün nicht erklärbar. Gelb und Rot
werden über die längere Schnittweite nach unten gezogen, es ist also der FLF der den Strehl im Vergleich zu Grün "drückt". Auf Rot bezogen
wäre bei jedem Refraktor der Strehlwert sehr viel höher.

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Die Bilanz bei Nr. 05 ist etwas verschieden zum TAK. Bedingt durch die geringere Schnittweiten-Differenz von Rot ist dort der Strehlwert etwas größer
als im übrigen Vergleich. Allerding muß der Gaußfehler hier etwas größer ausfallen, weshalb Blau und 510 nm wave nicht ganz das TAK-Ergebnis erreicht.
Gelb ist hier aber besser - ebenfalls dem FLF geschuldet.

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Die Nr. 06. müßte man deshalb auf den letzten Platz verweisen. Jetzt drücken FLF und Gaußfehler gemeinsam außerhalb von Grün den Strehlwert am
deutlichsten nach unten - was in der RC_Indexzahl nur zum Teil sichtbar wird.

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