A107 William Megrez 72 FD - als Spektiv verwendbar

Auch als Spektiv geeignet!

Wer das folgende kleine Reiseteleskop auch für Naturbeobachtungen verwenden will, braucht in der Regel ein
Umkehrsystem in der Form eines Amici-Prismas, das es in unterschiedlichen Bauweisen, also auch für die
Gerad-Sicht gibt. Damit müßte beim Design der Glasweg berücksichtig werden, sodaß man der Frage nach
gehen muß, wie reagiert dieses System bei Verwendung dieses zusätzlichen opt. Bauteiles.
In diesem aktuellen Einzelfall ist die Farbreinheit mit Glasweg eindeutig besser als ohne. Ohne Glasweg liegt
das rote Spektrum unverhältnismäßig weit um etwa 0.169 mm hinter Blau/Grün/Gelb und wird dadurch
besser wahrgenommen. Trotzdem prüfen wir gerade, ob bei allen derartigen Spektiven der Glasweg zu einer
Verbesserung führt, was man offenbar jeweils im Einzelfall genau prüfen muß. Bei diesem Einzelteleskop
jedenfalls führt der Glasweg zu einer deutlichen Verbesserung.


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Die Position des Glasweges werde ich wohl nochmals vaiiren müssen, ob es eine optimale Position gibt. In meinem Fall
dürfte die letzte Fläche des ca. 47 mm Glasweges bei ca. 15 mm vor dem Fokus gelegen haben.

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Die Ergebnisse des Sekundären Spektrums unterscheiden sich jedenfalls signifikant bei allen Tests, also Sterntest,
Foucault- und Interferometer-Test. Ohne Glasweg wirkt das Bild "bunter" Im Vergleich mit dem ZenithStar II ED APO
ein durchaus gleichwertiges kleines Teleskop, mit einem hohen Preis/Leistungsverhältnis von 399.- Euro.

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Die Sternscheibchen entstanden ohne Glasweg.

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Der Glasweg verkürzt im vorliegenden Fall die Schnittweite von Rot, weshalb sich diese Farbe stärker mit Blau zu Violett
mischt. Ohne Glasweg fällt es aus der übrigen Farbskala heraus.

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Beim Foucault-Test liegt die Messerschneide etwa in der Mitte des sekundären Spektrums, überlagert vom Gaußfehler,
weshalb es zu dieser Farbaufteilung kommt. Auch hier erkennt man die Unterschiede deutlich. Darüberhinaus erkennt
man eine schöne Entsprechung zum Sterntest:
Ohne Glasweg intrafokal purpur links unten zu gelbgrün rechts unten analog zum Foucaulttest (nächstes Bild)
Mit Glasweg intrafokal violett links oben zu gelb rechts oben analog zum Foucaulttest (nächstes Bild)
Damit läßt sich über den Foucault-Test von links nach rechts auch der Verlauf des sekundären Spektrum
nachvollziehen, weil die Messerschneide das sekundäre Spektrum farblich in intra- und extrafokal teilt.

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Von Interesse kann sein, wie die Auflösung ganz allgemein bei Liniengittern ausfällt. In diesem Fall verwende ich ein
festes, hochauflösendes 5000 LinienPaare pro Inch Gitter von Edmund Scientific (ca. 200 lp/mm) und ein variables
durch ein Mikroskop-Objektiv verkleinertes, variables Gitter, dessen Linien man über ein Meßokular auszählen muß.
Visuell lassen sich also 256 lp/mm noch gut wahrnehmen und liegt damit genau bei der theoretischen Grenze, die
diese Optik leisten muß. Das Foto gibt den visuellen Eindruck leider nur unzureichend wieder.

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Im Vergleich zu den Problemen, die manche festverkitteten Dreilinser aus dieser Größenklasse aufzuweisen haben, halten
sich im vorliegenden Fall sowohl Coma wie Astigmatismus in deutlichen Grenzen, wobei ich die Möglichkeit einer weiteren
Optimierung aus Zeitgründen nicht untersucht habe.

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Coma bedeutet immer ein behebbarer Zentrierfehler und Astigmatismus hängt meistens mit irgend einer Druckstelle in
der Fassung selbst zusammen, was der optischen Leistung dieses Teleskopes keinen nachweisbaren Abbruch tut. Die
erste Backsche APO Definition wäre in diesem Fall erfüllt. (Mindestens 0.95 Strehl bei 550 nm wave und L/4 PV)

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Der Untersuchung zweiter Teil

So hemmungslos die einen am Umsatz orientiert sind, weil sie von den Gemeinkosten ihres expandierenden
Betriebes aufgefressen werden, so übervorsichtig und genau nehmen es andere Händler, die sich seit vielen
Jahren als seriöse Berater unseres spannenden Hobbys hervortun.

Über einen Serientest an drei gleichen Teleskopen geht es ganz allgemein über die Übereinstimmung der
optischen Daten. Ganz detailliert aber um die Frage, ob der Glasweg zwar zu einer Verbesserung der Farb-
reinheit führt, aber möglicherweise Kontrast und Schärfe darunter leiden könnten. In meinem Fall reduzierte
ein 1 1/4 Zoll Baader Zenitprisma den Rotsaum deutlich sichtbar bei meinem in 10 m aufgestellten künst-
lichen Sternhimmel, ein Einbuße an Kontrast und Schärfe konnte ich dabei nicht feststellen. (Bei der
Beobachtung eines künstlichen Sternes im Endlichen - Abstand 10-20 m vom Refraktor - verlängern sich
zwar die Abstände der Farbschnittweiten im gleichen Verhältnis. Da aber auch das effektive Öffnungsver-
hältnis kleiner wird, bleibt die Farbreinheit erhalten. Siehe Diagramm ganz unten.

Die Glaswegdiskussion wird wichtig, wenn man diese Teleskope erdgebunden als Spektive einsetzt.
Spätestens dann braucht man ein Umkehr-System in Form eines Glasweges.

Signifikant zumindest ist, daß sich bei drei gleichen Teleskopen über einen BK7 Glasweg von 47.36 mm Länge das
sekundäre Spektrum halbiert, was sich über Interferogramme gut nachweisen läßt und in der Tendenz bei allen drei
Geräten feststellbar ist.

Mit und ohne Glasweg

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Aber auch über einen künstlichen Sternhimmel mit 3-5 Micron Linholes zeigt sich ein geringerer roter Farbsaum, da der
Abstand zu Gelb/Grün eben nur halb so groß ist und auch auf diese Art nachgewiesen werden kann.

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Gelbstichig oder nicht?

Auch die Wahrnehmung kann höchst verschieden sein, und auch dieser Fall ist nicht eindeutig zu klären. Es geht um die
Frage, ob eine individuelle Wahrnehmung von leichter Gelbstichigkeit nachgewiesen werden kann oder nicht. Das linke
Beispiel der nun folgenden acht Bilder erzeuge jeweils einen normalen Helligkeits-Eindruck, das rechte hingegen vermittle
bei einem 3 mm Nagler Zoom eine leichte Gelbfärbung. Folgende Aufnahme entstand extrafokal in Fokusnähe

Megrez72FD_21.jpg

extrafokal - weiter vom Fokus entfernt

Megrez72FD_22.jpg


intrafokal - weiter vom Fokus entfernt

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Foucault-Bild etwa in der Mitte des sekundären Spektrums zerlegt das im ersten Bild gemessene sekundäre Spektrum in
Gelb/Grün rechts und Rot/Blau links, überlagert vom farbabhängigen Öffnungsfehler der im Blauen Spektrum überkorri-
giert und im roten Spektrum unterkorrigiert reagiert.

Megrez72FD_24.jpg

Ronchibilder 13 lp/mm intrafokal

Megrez72FD_25.jpg

200 lp/mm als Auflösungstest entspricht 2.44 arcsec bei theoretischer Höchstauflösung von 1.92 arcsec. Die visuelle
Definition ist weitaus besser, als es das Foto zeigt.

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Das mit einem Cutter abgeschnittene Lichtleiterkabel Durchmesser 1 mm mit HÖchstvergrößerung von 215-fach.

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Unter Höchstvergrößerung mein künstlicher Sternhimmel, der auf andere Weise das Sekundäre Spektrum zeigt.
Rot verschwindet in den Beugungsringen, weil das Auge auf Gelb/Grün fokussiert.

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Nochmals die Frage, welche Auswirkung der Glasweg hat. Ohne Glasweg wird Rot stärker von den anderen Farben
getrennt, und Blau mischt sich stärker mit dem benachbarten Grün. Die Optik ist bis zu Grün leicht unterkorrigiert.
Mit Glasweg mischt sich Gelb stärker mit Rot und Grün mit Blau. Die Trennung der Farben wirkt geringer.

Megrez72FD_30.jpg

Beide Diagramme unterscheiden sich lediglich in der Objekt-Weite. Links der Normal-Fall mit unendlich, rechts der Fall bei
vielen Händlern, die einen künstlichen Stern mit Abstand 20 - 30 m benutzen. Das Objektiv ist ein APO mit 130 mm
Öffnung und 1524 mm Brennweite. Bei 20 m Abstand zum künstlichen Stern verlängert sich also der Lichtkegel von
130/1462 (unendlich) zu 130/1588 (20m Abstand) . Die Schärfentiefe wird im gleichen Verhältnis länger und der Farb
eindruck bleibt erhalten. Damit sollte es möglich sein, Refraktoren auch im Endlichen am künstlichen Stern untersuchen
zu können. Bei Parabolspiegeln stimmt diese Rechnung natürlich nicht, weil sich in diesem Fall der Öffnungsfehler massiv
verändert.

Megrez72FD_31.jpg

Der Einfluß des Korrektors auf dieses kleine Teleskop erfolgt im dritten Teil.

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Der Untersuchung dritter Teil

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Bei der Position des Field Flattners von Williams sollte man auf einen fokus-nahen Abstand achten, der in der
Regel über die Kameradaten vorgegeben ist: Also keine Zwischenstücke zwischen Kamera und Field Flattner,
sondern möglichst nahe an den Fokus positionieren. Bei einem zu großen Abstand fällt die Schnittweite von
Rot sehr weit nach hinten.

Die Foucault-Aufnahme muß man so deuten, daß in der Mitte eine flache Kuppe auf den Betrachter zukommt. Damit
zeigt sich die auch in den Interferogrammen erkennbare Unterkorrektur.

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Das 200 lp/mm Liniengitter löst das System brilliant bei höchster Helligkeit im doppelten Durchgang auf.

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Eine Verbesserung der Farbsituation leistet der Field Flattner nicht. Je nach Abstand vom Fokus sind die Werte besser
oder schlechter. Die Bilder entstehen bei Höchstvergrößerung von 430-fach mit einem Nagler Zoom in Autokollimation.
Die Pinholes haben einen Durchmesser zwischen 3-5 Mikron.

Megrez72FD_42.jpg

Für die Fotografie ganz wichtig ist der Bildebnungs-Effekt, den ich auf diese Weise zu messen versuche: Auf einer
Glasplatte sind im Abstand von 20 mm drei Rasier-Klingen aufgeklebt, zusammen also 40 mm Gesamt-Distanz. Beim
Foucault-Test mißt man dann die Differenz auf der optischen Achse zwischen der mittleren Position und jeweils
links und rechts am Rand. Für eine "Pfeilhöhen" Differenz von 0.05 mm zwischen Mitte und Rand ergibt sich nach
der Formel R = h^2/2/z , R = 4000 mm, und das sollte zum Fotografieren ausreichend sein. Alle Foucaultbilder
zeigen ebenfalls die Unterkorrektur, wenn man sich die Mitte als flache Kuppe vorstellen kann.

Megrez72FD_43.jpg

Das Teleskop 080040 war tendentiell leicht unterkorrigiert. Der Korrektor verändert daran nichts. Bei Grün mit 546.1 nm
wave beträgt die Unterkorrektur gerade mal L/4 PV der Wellenfront. Blau wäre am besten korrigiert, bei Rot fällt die
Unterkorrektur etwas stärker aus.

Megrez72FD_44.jpg

Natürlich fehlen jetzt die Aufnahmen aus der Praxis, aber die Bedingungen für ein preisgünstiges kleines Teleskop, mit
dem man auch noch gut fotografieren kann, stehen günstig. Vielleicht stellt ja hier einer noch seine Aufnahmen ein.

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Hallo Alfredo,

die erste Frage beantwortet dieses Bild:

Megrez72FD_04.jpg

Bei der zweiten Frage muß ich ZEMAX zu Hilfe nehmen: Das linke Diagramm wäre ein 130/1524 APO ohne Glasweg, das
rechte Diagramm mit einem fiktiven Glasweg von 400 mm, was ja nie vorkommt. In diesem Beispiel würde die Antwort
heißen, ergibt keine signifikante Änderung. Ich vermute also, daß der William Megrez 72/430 mit Glasweg konzipiert
wurde, um ihn auch als Spektiv für Naturbeobachtungen anbieten zu können. Und das erzwingt dann regelrecht den
Glasweg in Form eines Umkehrsystems. Ob also das 50 mm Zenitprisma ein anderes Ergebnis bringt, als das 1 1/4 inch
Zenitprisma hinsichtlich des sekundären Spektrum halte ich eher für unwahrscheinlich. Kann man aber bereits am
Sterntest intrafokal selbst untersuchen bei hoher Vergrößerung.

Der Glasweg beeinflußt vor allem auch den Öffnungsfehler, der bei größeren Glasweg abnimmt.

Megrez72FD_45.jpg

Beim Halb-APO von Wolfgang Busch 150/2250 bewirkt ein 40 mm BK7 Glasweg folgende Veränderung: Die Längs-
aberration der Farben verschiebt sich derart, daß sich in der 0.7 Zone (mit der größten Fläche) Rot und Blau gleiche
Schnittweiten haben. Grün liegt systembedingt vor diesen Farben. Blau ist überkorrigiert, das Optimum wäre Grün
(e-Linie), im Diagramm nicht eingezeichnet.
Megrez72FD_46.jpg