A073 Takahashi APO 102-820 Navis-Report
Hallo,
nachdem Wolfgang ein beneidenswert höchststrehliges Top-Exemplar eines TMB 100/800Triplets sein Eigen nennt, habe ich mir einen ebenbürtigen Top-Fluorit, diesmal aber ein Doublet, in seinem Keller abhängen lassen, der bei der dort optimalen Luftfeuchte und Temperatur dann bei 99% Strehl reif zum Verzehr war :-). Der mit ähnlich vielen Parker-Punkten bewertete Spitzenrotwein im Hintergrund muß dort leider aber noch ein bis zwei Jahre weiterreifen, um genauso viele Punkte zu erlangen :-)
Nach dem Abhängen wurde er gleich von Wolfgang "verkostet" (der Refraktor!) Die folgenden, mit seinem Weisslicht-Bath-Interferometer und entsprechenden Filtern gemachten Aufnahmen ließen schon sehr sehr Gutes erahnen. Gerade im Gelben sehen die Interferenzstreifen ja fast so aus, als wären sie mit einem Lineal gezogen worden. Dabei wurde jede Farbe extra fokussiert:
Eine Auswertung in Atmosfringe ver. 3.2 lieferte direkt, ohne jegliche "Beschönigungen", mit der Autotrace-Funktion der Software folgende Traum-Strehlwerte:
Man sieht auch bei diesem Exemplar, wie nicht anders zu erwarten war, daß die Farbe Blau den niedrigsten Strehlwert aufweist, das leichte "M" im Interferogramm weist auf eine leichte Überkorrektur im blauen Spektralbereich hin.
Interessant in diesem Zusammenhang war aber die genaue Reihenfolge der Fokuslage der vier getesteten Wellenlängen sowie die Größe der verschiedenen Schnittweiten. Es wurde ja vor kurzem bereits ein anderer
Takahashi FS102 von Wolfgang vermessen, der einen W-Index von
0,22 hatte...
Ein erster Aufschluß gab der künstliche Stern. Intrafokal ist der für die FS-Serie typische leichte Blausaum zu sehen, den ich auch genauso immer wieder am Nachthimmel beobachte. Extrafokal sieht man am defokussierten Sternscheibchen ganz außen einen leicht orange-rötlichen Saum:
Intrafokal:
Extrafokal:
Daraus läßt sich schon mal schließen, daß Blau wohl eine etwas längere Schnittweite aufweisen muß, denn auch IM Fokus (bei 800facher (!) Vergroesserung im Doppelpaß aufgenommen) sieht man diesen blauen Saum:
Nachdem aber genau diese Frage und die Klassifizierung von Triplets/Doublets anhand des W-Indexes in letzter Zeit ziemlich interessiert von mir und anderen verfolgt wurde, wollten wir das genauer wissen. Ich war ja, wie man in einem anderen Thread nachlesen kann, genau wie Pal der Ansicht, daß ein gewisser Widerspruch zwischen Wolfgangs Index und unseren visuellen Farbeindrücken dieser Apos vorhanden war. Wolfgang hat dann wirklich sehr sorgfältig mehrere Meßreihen gemacht, mal vorwärts, mal rückwärts, die dann anschließend gemittelt wurden, um die Lage der verschiedenen Fokusse möglichst exakt zu bestimmen:
Wenn man nun die relativen Schnittweitendifferenzen im Verhältnis zur Tiefenschärfe setzt (übrigens Wolfgang, deine neue W-Index Software für Windows ist bereits tatsächlich in Arbeit :beta:) erhält man als Ergebnis für DIESEN Tak einen ebenfalls sehr guten Wert von 0,31. Das liegt in derselben sehr guten Region wie der bereits früher vermessene FS102 und der TMB 100/800, die beide bei ca. 0,22 lagen.
Damit ist klar, daß man bei Diskussionen um die Farbreinheit tatsächlich am besten immer nur über eine BESTIMMTES Exemplar reden sollte. Ich war anfangs zugegebenermaßen sehr skeptisch, daß die beiden FS-102 verschiedene W-Indizes haben sollten, aber der folgende Foucaulttest zeigt es eindeutig: DIESER Tak zeigt -zumindest theoretisch-, einen Tick mehr Blausaum als der vorangegangene. Trotz phantastischen Strehlwertes! Da ich aber durch den anderen nie beobachten konnte, bleibt mir der Unterschied, wie und ob er sich dann tatsächlich beim Beobachten zeigt, bis auf Weiteres verborgen.
Man sieht in obiger Foucaultaufnahme sehr schön, daß die blauen und roten Wellenlängen definitiv länger fallen müssen als die gelb-grünen, wobei in der LINKEN Hälfte der Aufnahme die Farbe Blau sehr dominant ist und Rot flächenmäßig einen kleineren Anteil für sich beansprucht, so daß Rot doch viel näher an gelb-grün sein muß (wurde auch bestätigt durch die Interferometermessungen für den W-Index). In der rechten Hälfte ist GELB ganz außen, GRÜN eher innen. Bei der Bestimmung der Fokuslage mit dem Bath-Interferometer war es nicht möglich GELB und GRÜN auseinanderzuhalten, sprich, diese zwei hatten eine nahezu identische Schnittweite. Ganz knapp dran war ROT. Nur BLAU war mit ca. 36 Mikrometern dann doch weiter abgeschlagen mit der längsten Schnittweite, was die Blausäume erklärt. Man muß sich als beim Tak folgende Reihenfolge der Farben vorstellen:
Und jetzt wurde es interessant. Takahashi FS-102 und TMB 100/800 haben also mehr oder weniger denselben W-Index. Zeigen sie aber auch exakt gleich viel Farbe in der Praxis? :wacko:
Daraufhin der "Tages-Beobachtungstest". An meinem FS-102 sehe ich, wenn genügend Sonnenlicht vorhanden ist, an weissen Balkongeländern diese vielzitierten blauen Säume. Kaum störend, weil wirklich nur
marginal, aber sie sind definitiv da. Jetzt kam der TMB an die
Reihe. Nach mehreren Stunden Testmarathon im Keller (mein Bathinterferometer wurde auch noch "operiert", aber da mach ich lieber einen neuen Thread auf...) durften nicht nur der kleine TMB, sondern auch wir ans
Sonnenlicht :cool:
Und ja, visuell der gleiche Eindruck den ich schon mal bei einem anderen TMB 100/800 erfahren durfte: diese blauen Farbsäume sind hier nicht zu sehen. Und trotzdem, irgendwie ein anderes "Gefühl" beim optischen Eindruck, den dieses Sahneteil bei mir hinterlässt. Als ich früher mal damit Saturn und Jupiter im direkten Vergleich zum FS-102 beobachtet hatte, hat MIR persönlich, der Tak FS-102 irgendwie besser gefallen, vielleicht liegt es daran, daß er nur zwei Linsen mit Luftspalt hat, wovon die äußere aus "echtem" Fluorit besteht, während der TMB ein Dreilinser mit zwei Luftspalts und mittiger Fluorophosphatlinse ist (bitte korrigiert mich, wenn ich das falsch in Erinnerung habe). Denn das Bild des Saturn im Tak empfand ich irgendwie als leicht heller bzw. "weisser". Ein irgendwie bläulicheres, kälteres Weiss, ähnlich dem Unterschied wie wenn ich durch ein Zeiss Abbe schaue. Im Vergleich dazu zeigte z. B. auch der Astrophysics Traveller eines Sternfreundes im direkten Vergleich bei gleichem Okular definitiv ein irgendwie "bräunlicheres" Bild. Ist natürlich alles Geschmackssache...
Interessant war jetzt aber die Frage, WARUM trotz gleichen W-Index der TMB farbreiner "erscheint". Und das wohl im wahrsten Sinne des Wortes. Der Grund könnte darin liegen, daß beim TMB die Farbe ROT anstatt
BLAU weit von den drei anderen Farben fokussiert, und zwar auf der anderen Seite, also näher am Objektiv dran. Wolfgang hat darauf hin NOCHMAL eine komplette Meßreihe an seinem TMB durchgeführt (wie oft ist
denn der arme TMB schon getestet worden? ;-), um das nochmal bestätigt zu bekommen, ist aber in einem anderen Thread schon mal beschrieben worden... Bei 800facher Vergrösserung
am künstlichen Stern konnte ich tatsächlich einen sehr leichten rötlichen Saum um die Airy Disk herum sehen, extrafokal sogar ziemlich ausgeprägt. Unser Auge ist im roten Wellenlängenbereich aber bei weitem nicht so
empfindlich wie im grün-blauen, so daß das EINE mögliche Erklärung sein kann, warum rein "technisch" gesehen, der TMB 100/800 und der Takahashi FS-102 zwar den gleichen W-Index zeigen, man visuell aber beim
Tak einen Tick mehr Farbe "sieht". In der Praxis sind beide am Nachthimmel aber dermaßen knackscharf und farbrein, daß es in meinen Augen wirklich nur noch eine Frage des Geschmacks ist...
Pal hat in seinen letzten Antworten darauf hingewiesen, daß die Sphärochromasie bei Triplets anders zu bewerten ist als bei Doublets. Bzw. daß ein Semi-Apo und ein Voll-Apo nicht beide gleichermaßen gut mit dem
W-Index beschreibbar sind. Fand ich sehr interessant. Andererseits finde ich jetzt, nach diesem Meßnachmittag, den W-Index nicht mehr ganz so unbrauchbar wie VOR diesem Besuch (Wolfgang möge mir verzeihen :-).
Denn der Widerspruch ist im nachhinein gesehen nun doch nicht mehr so groß wie ursprünglich von mir gedacht.
Da wir Hobbyamateurastronomen und "Röhrlegucker" aber doch andauernd am Verbessern von Methoden sind, glaube ich, daß man hier den W-Index und den visuellen Eindruck besser unter einen Hut bringen kann,
wenn man die verschiedenen Wellenlängen je nach Empfindlichkeit des Auges für die verschiedenen Farben GEWICHTET! Denn einen LEICHTEN ROTsaum sieht man womöglich gar nicht mehr, wohingegen ein
BLAUER noch von unserem Auge als störend empfunden wird. Man könnte ja die Formel mit der Zeit etwas "eichen"...
Wolfgang hat meinen FS102 übrigens auch noch mit der zweiten, von Pal bevorzugten Methode analysiert, sprich, auf grün fokussiert, den Fokus so belassen, und einfach alle Filter nacheinander eingesetzt, die Aufnahmen liefere ich noch nach, jetzt "muß" ich aber in den Biergarten :-)
Schönen Gruss,
Alfredo Segovia
ps: nachdem die Formatierung wegen der großen Bilder hinüber war, hoffe ich, das das ganze jetzt besser lesbar ist...