A054 TMB-Sanierung Nr 105 LZOS Nr 105-651

TMB - Sanierung

Seinen hochwertigen APO übers Jahr in der Sternwarte aufzubewahren, und ihn dadurch allen jahreszeitlichen
Schwankungen an Temperatur und Luftfeuchtigkeit auszusetzen, ist vermutlich nicht ganz unproblematisch,
auch wenn man das Teleskop noch zusätzlich gegen Staub schützt. Jedenfalls veränderte sich der Zustand dieses
anfänglich sehr guten kleinen APO's derart, daß er nach einem sehr kalten Winter plötzlich mit Koma und
Astigmatismus reagierte, und die ehemals gute Auflösung verloren war. Bevor ich mich jedoch auf ein Optimierungs-
Abenteuer einließ, war zu prüfen, ob man an die neuralgischen Stellen des Objektivs kommt d.h. ob sich das
Objektiv öffnen läßt oder nicht.

Das muß aber nicht unbedingt heißen, daß man den Dreilinser mit relativ dicken Abstands-Plättchen total zerlegen will.
Aber Astigmatismus und Koma sind nur zu beheben, wenn sich diverse Schraubringe bzw. Justierschrauben beeinflussen
lassen:
Hinter dem gerippten schwarzen Gummi-Mantel sind kunstvoll je drei M3 Gewinde-Bohrungen versteckt und mit schwarzem
Silicon-Kautschuck gefüllt, sodaß sich dort eine Zentriermöglichkeit für die drei Linsen vermuten ließ. Später stellte sich
jedoch heraus, daß diese Bohrlöcher lediglich dazu benutzt werden, die jeweilige Linse in der ursprünglichen Position zu halten.
Diese Idee funktionierte offenbar nur bis zu jenem Kälte-Einbruch, und ab dann war die ursprüngliche Schönheit dahin.

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Auch eine andere Idee wurde in ihr Gegenteil verkehrt: Auf der ersten Linse ruht ein Druck-Ring, der alle drei Linsen über die Distanz-
plättchen exakt in die Fassung drückt und damit Verspannung vermieden wird. Nun dreht sich häufig dieser Druck-Ring, und es
entsteht der allerschönste Astigmatismus. Um das zu verhindern, hat das Objektiv eine Nut eingefräst bekommen und über eine
kleine Madenschraube wird dieser Ring in Position gehalten. Irgendein Sachkundiger jedoch hat diese Madenschraube kräftig
angezogen und damit den ohnehin dünnen Ring verspannt. (Nur bis man es merkt, vergeht eine gewisse Zeit.)
Nachdem also der Silikon-Kautschuck aus den Gewindebohrungen entfernt war, stellte sich heraus, daß diese für eine Zentrier-
Möglichkeit unbrauchbar waren, weil das Spiel Fassung/Linse wenige hundertel Millimeter beträgt und sich Zentrierversuche
deshalb als unwirksam herausstellten. Für die spätere Untersuchung jedoch ein Vorteil.

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Um sich einen Eindruck zu verschaffen, in welchem Zustand das vormals hochwertige Objektiv war, mag folgende Aufnahme gelten:
Bei 325-facher Vergrößerung bildete der vorhandene Astigmatismus die 3-5 µ großen Pinholes in feine Kreuze ab, was ein
eindeutiger Hinweis auf Astigmatismus ist.

Astigmatismus erkennen, mit dem Sterntest, mit Ronchi?
Astigmatismus vs Interferogramm
Artificial Sky - Übersicht: Artificial Sky

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Nach der "Operation" schaut der gleiche Testaufbau sehr viel vertrauens-erweckender aus. Wobei einem dann
regelmäßig ein größerer Stein vom Herzen fällt, wenn man nach längerer Zeit des Nachdenkens die richtige Lösung
gefunden hat: Wenn die Objektiv-Fassung beispielsweise entspannt ist, dann verliert die Optik gewöhnlich ihren
Astigmatismus. Nur ist damit nicht automatisch die Zentrierung behoben. Es war also auch noch eine ausgeprägte
Achskoma zu beseitigen. Das bedeutet, daß man sich der Abstands-Plättchen widmen muß und der Frage, wo
müssen etwa 1 - 2 µ verdichtet oder abgenommen werden: Genau aus diesem Grunde sind nämlich diese Abstands-
plättchen aus dem leicht verformbaren Blei. Und bereits Bernhard Schmidt hat seine Achromate mit dem Gummi-
hammer zentriert, weil er wußte, welches der Distanz-plättchen etwas gestaucht werden muß.

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Zum Vergleich einige Aufnahmen mit ähnlichen TMB-Optiken:
http://rohr.aiax.de/@TMB-K10.jpg
http://rohr.aiax.de/@TMB-SpKu05.jpg
http://rohr.aiax.de/SubAPO05.jpg
http://rohr.aiax.de/@TMB-APO115_10.jpg
http://rohr.aiax.de/@Reiser06.jpg
http://rohr.aiax.de/FloeVixTMB_20.jpg
http://rohr.aiax.de/@ChinaAPO08.jpg

In etwa diesem Zustand sah es das mitgelieferte Zertifikat im Jahre 2002, geprüft bei 532 nm wave, und das ist für die
weitere Betrachtung wichtig: Die 3-D-Darstellung der Wellenfront-Deformation zeigt bereits, daß bei dieser Wellenlänge
das Objektiv leicht überkorrigiert reagiert, sodaß das Optimum mehr in Richtung Gelb bei 587.6 nm wave liegt.
Während also für den Bereich 532 nm wave bei mir ein Strehl von 0.943 herauskommt, wäre für Gelb der Strehl bei
0.973, und damit in der Nähe des ursprünglichen Certifikates.

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Jedenfalls zeigt diese 3-D-Darstellung gleichermaßen Reste von Überkorrektur, Koma und Astigmatismus. Mit einem mitgelieferten
Interferogramm könnte man die Fehler einzeln und in ihrer Größe darstellen.

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Sowohl der intra/extrafokale Sterntest zeigt das gewohnte farbreine Bild ebenso, wie der Foucault-, Ronchi- und Lyot-Test,
alles in allem eine hochwertige Optik von LZOS.

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das Referenz-IGramm bei 587.6 nm wave

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und das über AtmosFringe ermittelte Strehl-Gesamt-Ergebnis

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Wenn man den Weißlicht-Interferometer auf Grün fokussiert, dann lassen sich sowohl der Gaußfehler in Form der "M"- oder "W"-
förmigen Durchbiegung ebenso erkennen, wie das Abkippen der Streifen bei zu kurzer oder zu langer Schnittweite.

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Wünschen wir dem Objektiv, daß ihm Kälte jetzt nicht mehr soviel anhaben wird.