A053 TMB APO Nr 276 (152-1200) LZOS und die Gaußfehler-Debatte

LZOS TMB APO und die Gaußfehler-Debatte

Der Kurt aus der Alpen-Republik (ein umgänglicher Kurt übrigens) hat sich für viel Euro ein Juwel gekauft. Und weil er bei diesem stattlichen
Betrag ganz detailliert wissen möchte, ob sein High End Gerät das Geld auch wert ist, fand er sich vor ein paar Tagen zu einer etwas länge-
ren und sehr intensiven Untersuchung ein. Auch wenn man je nach Religion und Blickwinkel diese Frage unterschiedlich beantworten kann -
und solche gibt es tatsächlich in der Szene, die an keinem Teleskop ein gutes Haar lassen - an diesem TMB-APO sollte man aus mehreren
Gründen seine Freude haben. Und weil ganz bestimmte Diskutanten sich an manchen Fehlern regelrecht hochziehen, wenn es um die
Qualifizierung bestimmter APO's geht, soll so ganz nebenbei auch zum Hype um den Gaußfehler ein paar Bemerkungen gemacht werden.

Zurück zur nüchternen Betrachtung eines TMB-Apochromaten: Wie man im optischen Tubus erkennt, sorgen Invarstäbe im Inneren für eine ausdehnungs-
freie Einstellung des Fokus. Damit wird das Objektiv zum Tubus einmal eingestellt und dann sollte es eigentlich zum Tubus genau kollimiert sein. Stellt
man aber, wie im vorliegenden Fall, eine leichte Dekollimierung fest und möchte diese korrigieren, dann ist der unbekannte Weg über die Invarstäbe
langwierig, wenn man das System erst begreifen muß, und das kann länger dauern. Trotzdem erkennt man bei hoher Vergrößerung keine Einbuße dieser
leichten Dekollimierung, sodaß ich zwar wüßte, an welcher Stellschraube man drehen muß, nur möchte man sich vergewissern, daß man dabei nichts
verstellt. Kurt aus Österreich hat nämlich einen langen Weg zu mir. Eine zweite Frage bezog sich auf die RC-Indexzahl in der Gegend von 0.6831.
Die von mir gemessenen Schnittweiten-Differenzen dürften stimmen, weil die Gegenprobe über die Power-Umrechnung fast zu identischen Werten kommt.
Mit einem Zenit-Prisma - also mit der Einführung eines 50 mm langen Glasweges bekommt man eine etwas andere Farbsituation, die möglicherweise
den TMB-APO verbessert: Wir wären dann bei RC_Index von 0.5215. Allerdings wäre das ein Vergleich direkt in der Praxis am Himmel wert, dafür ist
dieser APO ja gebaut.
Eine letzte Bemerkung zu den gemessenen Strehlwerten:
Laut LZOS Certificate käme bei 532 nm wave ein Strehl von 0.974 heraus gegenüber meinem Ergebnis bei 546.1 nm wave von Strehl = 0.981. Eine
Erklärung könnte die bereits etwas kürzere Wellenlänge im Zertifikat sein, die im kürzeren Spektrum der APO mit Überkorrektur reagiert. Im Übrigen
wäre das LZOS Zertifikat vom 14. Jan. 2009 erneut ein Beispiel aus der Praxis eines Feinoptikbetriebes, und dazu im Vergleich die verstiegenen
Vorstellungen einiger User, die aus der Zertifizierung offenbar eine neue brotlose Kunst machen möchten - für die aber dann doch der jeweils
Andere in die Pflicht genommen werden soll.

LZOSNr276_01.jpg

Würde man in meinem Certifikat die 3D-Darstellung um 180° drehen, dann hätte man eine ähnliche Wellenfront-Deformation wie in diesem Zertifikat.

LZOSNr276_02.jpg

Über die 3D-Darstellung der Wellenfront-Deformation zeigt sich das blaue Spektrum immer überkorrigiert bis zur Hauptfarbe Grün, die Unterkorrektur
beginnt bei Gelb und vergrößert sich bei Rot. Dabei sollte man aber nicht die tatsächlich äußerst geringe PV-Wert Abweichung aus dem Auge ver-
lieren, damit man einen Eindruck hat, wie klein die Werte sind, über die so große Diskussionen geführt werden. Wir haben es mit Werten an der Grenze
der geforderten Gesamtgenauigkeit zu tun. Bei Blau wären es gerade mal ca. L/8 PV Überkorrektur, bei Rot gerade mal L/10 PV Unterkorrektur.
Wow ist das viel ! Aaaaber, da möchte dann schon einer den polychromatischen Strehl und sonstwelche Diagramme, wo eigentlich bereits das Zahlen-
verhältnis zwischen Farblängsfehler und Gaußfehler ausreichend wäre.

LZOSNr276_03.jpg

Zur Darstellung des Gaußfehlers über ein RonchiGramm eignet sich entweder die Farbzerlegung in die RGB-Kanäle, wie es bessere GRafikprogramme
können, oder man untersucht den Sachverhalt mit entsprechenden Interferenzfiltern, die Reihe darunter. Im Endergebnis die gleiche Sitaution:
Überkorrigiert im kürzeren Spektrum, unterkorrigiert im längeren Spektrum, perfekt bei der Hauptfarbe Grün.

LZOSNr276_04.jpg

Diese Übersicht ist eine stundenlange Fleißarbeit ! Je nach Glasweg-Situation sind die Farbschnittweiten anders angeordnet. Für die obere Reihe stimmt
es in jedem Fall, für die untere Reihe könnte Gelb vor Grün liegen. Neben jedem EinzelInterferogramm steht der StrehlWert, der ohne Abzug der jeweilige
Gesamtwert ist, wobei sowohl bei LZOS wie auch bei mir für diesen Fall die Power abgezogen wird. Fokussiert wurde natürlich in beiden Fällen auf die
Hauptfarbe Grün.
Unter jedem IGramm erkennt man mit weißer Schrift den Farblängsfehler in Form eines PV-Wertes. Den sollte man vergleichen mit dem darunter stehen-
den Wert für den Gaußfehler, ebenfalls als PV-Wert aus VergleichgsGründen. Bei Blau wäre es um den Faktor 2 kleiner, bei Grün um den Faktor 4, und
wenn man sich dann noch die Absolut-Werte anschaut, dann ist das wirklich ein Streit um des Kaisers Bart. Mittig unter jedem IGRamm die gemessenen
Schnittweiten-Differenzen, in blauer Schrift daneben die über die Power umgerechneten Werte zur Kontrolle. Für die Variante mit Glasweg (die zweite Reihe)
entstand die Gegenkontrolle über die Power/Schnittweiten-Umrechnung über die Power-Werte der RGB-Farbauszüge: http://rohr.aiax.de/LZOSNr276_08.jpg
Hier hätte man aber das Problem, ob diese Farbauszüge jeweils den engen Bereich der spezifischen Wellenlängen angeben, also wirklich die F-Linie mit
486.1 nm wave, die e-Linie mit 546.1 nm wave und die C-Linie mit 656.3 nm wave. Bisher erkennbar ist nur, daß im roten Bereich die Sache nicht ganz stimmt.

LZOSNr276_05.jpg

Artificial Sky

Unter der Annahme, daß dieser TMB APO auch bei der Dreiergruppe 5 µ Abstand noch trennen würde ergibt sich aus dem INV TAN von (0.005/1200) die angegebene
Auflösung. Nach der bekannten Formel: 1.22*0.00055*206265/Apertur wäre das geringfügig weniger. Die AiryDisk errechnet sich ebenfalls nach der Formel:
AiryDisk = 2.44*0.00055*1200/152 als engste Einschnürung des Lichtkegels bei Grün = 550 nm wave. Aus diesem Wert und der Öffnungszahl von knapp 8 ergibt
sich der Wert für die Tiefenschärfe von 0.0681 mm. Das ist der Bereich, innerhalb dessen nicht mehr schärfer gestellt werden kann. Farbrestfehler und andere Fehler
werden innerhalb dieses Bereiches nicht mehr wahrgenommen. Mit der Tiefenschärfe wird in der Folge der gemittelte Farblängsfehler verglichen und ergibt die
RC_Indexzahl. Auch hierbei spielt der Gaußfehler immer noch eine untergeordnete Rolle, von den absoluten PV-Werten noch gar nicht gesprochen.

LZOSNr276_05A.jpg

Ob dieser APO mit einem Zenit-Prisma farblich verbessert werden kann, läßt sich nicht so signifikant beantworten wie in anderen Beispielen. Immerhin
entsteht mit Glasweg eine andere Farbsituation als ohne, das zeigt bereits das Foucault-Bild.

LZOSNr276_06.jpg

In meinem Fall besteht der Glasweg aus drei verkittete Probegläser mit ca. 47 mm Länge.

LZOSNr276_07.jpg

Ob ein Interferogramm im blauen Spektrum bis zum Rand gut abgebildet wird hängt - andersartigen Behauptungen zum Trotz - nicht von einem ohnehin
sehr engen Interferenzfilter ab. Ein Blick in meine vielen Berichte liefert genügend Beispiele dafür ab. Trotzdem entstehen bereits sehr unterschied-
liche Weißlicht-Interferogramme ohne Glasweg und mit Glasweg. Das untere Weißlicht-Interferogramm läßt verweist auf ein farbreineres System,
wenn man den Kugelspiegel als perfekten APO zu Rate zieht:Kugelspiegel als IdealForm eines Super-APO's, Ein Vergleich der beiden Reihen,
oben ohne Glasweg, unten mit Glasweg, läßt eine bessere Durchschnitt-Situation erwarten. Ohne also zuviel in diese Beispiele hineindeuten zu wollen,
wäre ein direkter Vergleich am Himmel wohl am Sinnvollsten.

LZOSNr276_08.jpg

Wir hätten also bei der Hauptfarbe GRün = e-Linie = 546.1 nm wave einen Strehl von 0.981 bei einem PV-Wert von knapp L/9. Das LZOS Zertifikat gibt
ca. L/5 PV der Wellenfront an. Über solche Ergebnisse sollte man nun wirklich nicht traurig sein. Viel mehr interessiert mich dazu passend der Bericht
aus der Praxis, was man mit einem solchen "Geschoss" alles sieht. Dem Kurt aus Österreich wünsche ich viele spannende Beobachtungs-Nächte.

LZOSNr276_09.jpg


LZOSNr276_10.png