D096 Wieviel Astigmatismus verträgt die Astrofotografie

Wieviel Astigmatismus verträgt die Astrofotografie

Vorwort: Der vorliegende Beitrag versteht sich als Information für die Praxis, nicht als Aufforderung für meßtechnische Glaubenskriege. Absichtlich
wurde auch das optische System nicht genannt, damit sich die Diskussion nicht "verläuft".


Es geht um die alte Frage, was von einem opt. System zu halten ist, dessen Strehlwert über einen Einzelfehler deutlich gedrückt wird und wie sich
dieser Einzelfehler
bei einer spezifischen Anwendung dieser Optik tatsächlich bemerkbar macht. Zu sehr werden nämlich Optiken ausschließlich
unter dem Blickwinkel eines hohen 
Strehls bewertet. Insofern bin ich besonders zwei Astro-Fotografen dankbar, die mich dieses Wochenende mit
einem 10 inch f/8.5 katadioptrischen besuchten 
zwecks exakter Zentrierung und einem GSO RC 250/2000 mit dem gleichen Ansinnen. Der GSO RC
leidet unter der bekannten deutlichen Überkorrektur, beim  
anderen System wäre es Astigmatismus, der den hohen Strehlwert drückt.

Zum GSO RC 250/2000 wäre nur soviel zu sagen, daß offenbar alle dieser Geräte nicht den optimalen Spiegelabstand haben, also alle mehr oder weniger überkorrigiert sind,
was aber auch bedeutet, daß der Backfokus nicht so weit nach hinten verschoben ist, und daß eine reine Zentrierung (frei von Astigmatismus) immer beide Spiegel ein-
beziehen muß, weshalb die Nacht sich am besten dafür eignet, weil man da völlig ungestört ist.

Das vorliegende System - Versierte werden es schon wissen, um welches System es sich handelt - wurde ebenfalls sorgfältig zentriert, jedoch aus Zeit gründen nur am
Fangspiegel, was zur Folge hat, daß ein Restastigmatismus von knapp L/4 PV übrig blieb. Diesen Astigmatismus wird man aller Wahrscheinlichkeit nur über den Hauptspiegel
herausjustieren können, wenn man genau auf der Achse ist und hohe Vergrößerungen benutzt in der Gegend von ca. 1000-fach. Visuell würde man diesen Astigmatismus
auf der opt. Bank kurz vor und hinter dem Fokus gut erkennen, bei perfektem Seeing, wie es die opt. Bank bietet. Und fotografieren läßt sich der Sachverhalt ebenfalls
eindeutig.

Würdigt man aber zunächst die Testbilder, dann zeigt das Foucault-Bild links ein sehr glattes System, was für einen guten Kontrast spricht, der Ronchigittertest 13 lp/mm
im doppelten Durchgang zeigt, daß die sphärische Aberration nahe bei Null liegt, an dieser Stelle das System auch perfekt ist. Der Lyottest unterscheidet sich nicht
signifikant vom Foucault-Test, was die Glätte des Systems unterstreicht. Einziger Schönheitsfehler wäre also der L/4 PV Astigmatismus, wie er auf dem nächsten Bild
gezeigt wird. Dieser reduziert das Strehlergebnis um ca. 18% Strehlpunkte, sonst hätte man es mit nahezu 0.98 Strehl zu tun.

Eigentlich ist dieses Ergebnis ein willkommenes Beispiel dafür, wie man aus der luftleeren Strehldiskussion zur Astrofotografie finden kann. Natürlich ging es auch um die Frage,
wie lange man braucht, um über die Hauptspiegel-Zentrierung diesen Restfehler zu beseitigen, damit man ein schönes Strehlergebnis bekommt. Diese Option bleibt weiterhin
offen, wenn sie denn überhaupt nötig sein sollte. Siehe auch: http://www.astro-foren.de/showthread.php?p=45041#post45041

@Sch10KlevTAL01.jpg

Damit man eine Vorstellung bekommt, worum es geht: Der hier diskutierte Astigmatismus läßt sich eindeutig bei über 1000-facher Vergrößerung fotografieren: Die Kreuzform im
Fokus zeigt, daß wir es mit Z4/Z5, also dem Astigmatismus der Grundordnung zu tun haben. Vergessen darf man hingegen nicht, daß dies die um 1000-fach vergrößerte
Situation der Wirklichkeit darstellt und die Frage bleibt, was sieht nun eine Kamera.

@Sch10KlevTAL02.jpg

Das Rohbild, das die Kamera in Orginalauflösung gestern abend bei mäßigem Seeing abgeliefert hat, zeigt weder den knapp beugungsbegrenzten Strehl von den PV-Wert von L/4.
Bis in die Ecken sind die Sternscheibchen/-Pünktchen rund und ungestört. Ergänzend dazu muß erwähnt werden, daß der 0.67 x Reducer die Situation verbessert.

Aufnahmedaten: Rohbild, 180 Sekunden belichtet, aufgenommen mit einer ATIK 16 HR CCD-Kamera (1392 x 1080 Pixel, Abbildungsmaßstab 0,95 " je Pixel) TAL 250K mit 0,67x Reducer bei ca. 1.400 mm Brennweite. (Volle Auflösung und volles Gesichtsfeld) Das Seeing lag nur bei 3 - 4 Bogensekunden.

@Sch10KlevTAL03.jpg

Hier nun das fertig bearbeitet Bild von M 57 bestehend aus:
10 x 180 Sekunden für den L-Kanal, und je 5 x 135 Sekunden für RGB Darks und Flats abgezogen auch wieder in voller Auflösung. M 57 selbst noch einmal etwas überarbeitet, um im Ring etwas Struktur sichtbar zu machen.

@Sch10KlevTAL04.jpg

Ein Vergleich der unterschiedlichen Rohbilder beider Systeme. Vielleicht äußern sich die versierten Astrofotografen selbst zu den Ergebnissen bzw. stellen später optimierte
Ergebnisse ein, die mit dem jeweiligen Teleskop erzielt worden ist. Jedenfalls verzeiht die Astrofotografie+Computernachbearbeitung viele Fehler, die man auf der opt. Bank
noch erkennen würde. Viele Foren-Diskussionen entlarven sich somit als Luftnummern.

@Sch10KlevTAL05.jpg

Noch eine zusammenfassende Übersicht zu den GSO RC Ergebnissen: Beim oberen System besticht die "Glätte" der Optik, die möglicherweise bei der Fotografie bedeutsam ist.

@Sch10KlevTAL06.jpg

 

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