D009 ALTER M 809 MakCass 200-2000 Intes Micro General-Überholung Total-Operation - Glas wie Gummi

Total-Operation - Glas wie Gummi             

Im April 2012 hatte ich bei einem Meade SC 12" ein ähnliches Lagerungs-Problem. Im Rahmen eines Umbaues - in der Regel
ruiniert man damit ein System - war der Hauptspiegel aus seiner Lagerung genommen worden: Gelagert war er auf einem
O-Ring, der beim Einbau sehr leicht verrutschen kann. In einer solchen Sitaution drückt er dann sehr unkontrolliert auf den
Glaskörper und dieser antwortet mit einem deutlichen Astigmatismus, der über den Sekundärspiegel nachvergrößert wird.
Vor dem abschließenden Zusammenbau prüft man deshalb penibel im Krümmungsmittelpunkt des HS die erfolgreiche
astigmatismus-freie Lagerung, und erst wenn dieser Fehler verschwunden ist, dann "lohnt" sich der weitere Zusammenbau.
Und weil beim SC-System der Hauptspiegel nahezu sphärisch ist, muß man ihn auch nicht justieren, sondern nur richtig
lagern. 12 inch Schmidt Cassegrain umgebaut [IV.2012] astigm HS- Soweit die Parallelen zum nächsten Fall.

Bei diesem neuen Fall handelt es sich um ein Maksutov-Cassegrain-System, das vor etwa zwei Jahren bei einem Test hervor-
ragend abgeschnitten hatte, ebenso 1998 bei Peter Rucks, der es ebenfalls getestet hatte. Den Gebrauchs-Spuren nach zu
urteilen, müssen sich aber eine Legion wißbegieriger Finger ebenfalls an dem guten Teil zu schaffen gemacht haben, sodaß
am Ende nichts mehr so war, wie im Neuzustand. Die Regel gilt auch in diesem Fall: Ein kontrollierter Zusammenbau ist nur
möglich, wenn man die einzelnen Schritte (besonders der Lagerung der beiden Spiegel) optisch jeweils überprüft. Nur so
kann man ein System in den Orginal-Zustand zurückversetzen. Das Lagerungs-Einmaleins von Glas sollte man aber ebenfalls
beherrschen.

Es war ein Drei-Tage-Projekt, beginnend sinnigerweise mit dem 1. Tag des Neuen Jahres. Das gute Teil lag zum zweiten Mal auf meinen
Seziertisch, diesmal aber total zerlegt weil im Test nur noch häßliche astigmatische Figuren zu sehen waren. Schrittweite versucht man
nun die Ursache dieser Figuren zu ergründen - zunächst am Hauptspiegel selbst und vor allem dessen Lagerung: Auch wenn Glas hart und
widerstands-fähig erscheinen mag, verformt es sich im Bereich von Nanometer tatsächlich bei aller-leisestem Druck. Betrachtet man damit
im Zusammenhang die Lagerung von Zeiss-AS bzw. anderen Objektiven, dann sieht man immer die übliche Drei-Punkt-Lagerung, bei der
an drei im Abstand von 120° gesetzten Punkten, diese streng übereinander gesetzt werden, gewissermaßen drei "Klammern", die an
dieser Stelle die Linse bzw. den Glaskörper halten. Korkscheiben oder andere Zwischenringe verhalten sich höchst unkontrolliert, weil nie
klar ist, an welcher Stelle sie auf den Glaskörper drücken - im Bereich von Nanometer.

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Der Fokussier-Knopf - vielleicht läßt er sich noch etwas leicht-gängiger einstellen - schiebt über eine ausgetüftelte Mechanik den Hauptspiegel auf dem Blendrohr
hin und her. Bei Linksdrehung dieses Dreh-Knopfes wandert der HS zum Beobachter, es vergrößert sich also der Abstand HS zu FS, sodaß der Backfokus kürzer
wird bzw. der Fokus in Richtung Tubus wandert. Bei Rechts-Drehung muß man erst das innere Spiel überwinden, aber dann wandert der Fokus nach außen in Richtung
Beobachter. Im Bild entsprechendeingezeichnet. Ein seitliches Shifting gibt es bei dieser Art Fokussierung nicht. Bei allen Cassegrain-Systemen mit beweglichem HS
ist deshalb der Backfokus variabel, was z.B. für feststehende RC-Systeme nicht gilt, die in erster Linie für die Fotografie gebaut werden !
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Beim Ausbau des Hauptspiegel wurde nun schrittweise zurückverfolgt, ab wann der störende Astigmatismus verschwindet. Erst als der HS völlig frei gelagert worden
war, bildete er ohne Fehler die 3-5µ großen Pinholes meines künstlichen Sternes ab, links im Bild. Damit war zunächst bewiesen, daß der HS selbst keinen "eingebauten"
Astigmatismus hat. Übrigens eine gute Gelegenheit, die opt. Daten des HS zu ermitteln, sowie dessen Form. Es ist also eine leicht überkorrigiert Sphäre, die die Ab-
bildung im Bildfeld verbessern hilft. Die Überkorrektur erkennt man an den leicht M-förmigen Interferenz-Streifen und an dem deutlichen 1. Beugungsring beim Artificial
Sky Test.

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Derartige Hauptspiegel verformen sich sehr leicht bei falscher Lagerung, sodaß man den HS in Art von Klammern lagern muß, wie es bereits der Hersteller nicht
anders gemacht hat - immer wieder beobachtet bei derartigen "Operationen". In diesem Fall entfernte ich den herstellerseitigen Tesafilm und ersetzte ihn durch
eine ALU-Folie 0.1 mm dick, wie sie im Installateur- und Heizungsbau Verwendung findet. Die dünne Linie auf der Spiegelfläche markiert den Außendurchmesser
des Anschlagringes, der 4 mm Abstand von der Bohrung hat. Auf dieser Fläche liegt also die Vorseite des HS 3-Punkt-förmig auf, auf der Rückseite ebenso.

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Auf der Rückseite darf dieser Distanz-Streifen unter dem Druckring hervorschauen. Der Druckring muß zunächst gefühlvoll angezogen werden. Man kontrolliert dies,
indem man den HS in seiner Fassung zu drehen versucht. So richtig festklemmen wäre also falsch. Zieht man abschließend die Arretier-Schrauben wieder fest, so
muß berücksichtigt werden, daß damit der Andruck dieses Ringes wieder verändert wird, weshalb man erneut den Sitzt den HS in seiner Halterung überprüft.

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Um sicher zu gehen, daß die Lagerung den HS nicht verformt, muß dieser Zustand des HS in seiner Halterung erneut überprüft werden, und erst dann ist ein
weiterer Wiedereinbau des HS auch erfolgreich. Bild 03 und Bild 06 unterscheiden sich also hinsichtlich der Lagerung: Bei Bild 03 steht der Spiegel unten auf
seinem Rand, bei Bild 06 wird er zentral in einem Zylinder über 3 Druckpunkte fixiert. Wenn beide Varianten zu opt. sinnvollen Ergebnissen führen, dann stimmt
die Lagerung.
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Nach dieser Prüfung wird das Zahnrad mit dem zweigängigen Kunststoff-Gewinde aufgeschraubt. In diesem Zusammenhang muß man wissen, daß es tatsächlich
zwei Gänge sind, man also das Gewinde im Winkel von 180° aufsetzen kann. Dabei gibt es dann ein eingeschliffenes Gewinde, das sich leichter drehen läßt, und im
anderen Fall ein etwas Schwer-gängigeres. Auf dem inneren Blendrohr erkennt man den Paß-Zylinder mit einem Spiel von höchsten 0.02 - 0.03 mm, auf dem die
HS-Einheit verschoben wird. Beim Einsetzen kan sich dieser Zylinder leicht verkannten, weshalb Fingespitzengefühl verlangt wird. Leichter tut man sich, wenn man
mal im Werkgzeugbau tätig war.

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Hier noch einmal ein "Explosions"-Bild mit allen Einzeleteilen der Hauptspiegel-Einheit.

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Der Hauptspiegel wurde also eingebaut und benimmt sich weiterhin optisch richtig. Trotzdem gibt es weitere Einflußfaktoren, die von der Meniskus-Linse und der
zentralen Sekundärspiegel-Einheit ausgehen. Im Unterschied zum HS, bei dem sich bei falscher Lagerung in der Regel ein Astigmatismus der Grundordnung zeigt,
reagiert der "Fang-Spiegel" eher mit einem dreieckigen Astigmatismus, wie im vorliegenden Fall. Also muß auch hier die Lagerung überprüft bzw. überarbeitet
werden.

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Da der äußere Druckring zwei 2.3 mm Bohrungen hat, braucht man einen "Schlüssel", um diesen Ring auf und zuschrauben zu können, wie im Bild rechts zu sehen.
Auch hier gilt gefühlvolles Anschrauben. Das eigentliche Problem ist aber nicht die äußere und innere Lagerung der Meniskus-Linse, sondern die Lagerung des FS
selbst. Es müssen also die Druckpunkte ebenfalls eindeutig definiert sein.

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Die Regel zum Zentrieren des Mak-Cass-Systems sei hier in Kurzform ebenfalls eingefügt: Zentriert wird an den äußeren Messingschrauben.

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Zerlegt man die Sekundärspiegel-Einheit, so kann auch hier das werkseitige Lagerungs-Verfahren mit Tesa-Film festgestellt werden. Wenn jeman jedoch diese
Einheit öfter zerlegt und zu fest wieder zuschraubt, dann verweigert auch der Fangspiegel seinen Dienst und reagiert mit 3-eckigem Astigmatismus. Auch in diesem
Fall garantiert die ALU-Folie eine perfekte Drei-Punkt-Lagerung. Der FS wird dann in seine Zelle eingesenkt - liegt also an 3 Punkten auf, und wird von Oben durch
den Druck/Blendring an den gleichen Druckpunkten gehalten. Auch hier ist gefühlvolles Anschrauben notwendig um auch jede Verformung des FS zu verhindern.

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Endlich - nach diesem schrittweisen und kontrollierten Einbau der opt. Komponenten ist ein Vergleich des Artificial Sky Testes bei hoher Vergrößerung interessant.
Oben das Ergebnis vom Oktober 2010 und darunter das Ergebnis von Jan. 2013. Obwohl der Strehl und PV-Wert sehr ähnlich sind, unterscheiden sich doch die
Ergebnisse: Beim Test 2010 war ein drei-eckiger Rest-Astigmatismus im Spiel, der mußmaßlich von der Fangspiegel-Lagerung verursacht wurde. Beim Test 2013
wäre es ein Rest-Astigmatismus Low Order, der vermutlich von der HS-Lagerung kommt. Beide Fehler sind aber in einem Bereich, wo sie nicht mehr wahrgenommen,
werden und man deshalb das System in diesem erreichten Zustand beläßt.

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Der Twyman-Green-Interferometer arbeitet exakt auf der opt. Achse, liefert aber in meinem Fall weniger kontrastreiche IGramme ab.
Trotzdem erkennt man gut das nahezu fehlerfreie System wieder, wie schon vor zwei Jahren. http://rohr.aiax.de/A_M809Ko_08.jpg

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Diesmal also ein "low order" Rest-Astigmatismus . . .

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. . . und ähnlich Strehl- und PV-Werte, wie vor zwei Jahren.

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Mit gleicher Einstellung des Artificial Sky Testes kommen fast ähnliche Ergebnisse auch bei diesem Test heraus: Der Unterschied zeigt sich im ersten Beugungs-
Ring der jeweiligen Ergebnisse. Das System ist also visuell wieder voll tauglich - der Tubus vertrüge einen neuen weißen Anstrich !

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Und auch die üblichen Test-Bilder passen wieder in das Ergebnis einer hohen Qualität für visuelle Planeten-Beobachtung und natürlich für die Fotografie.

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Man kann also beim erneuten Zusammenbau eines Systems sehr viele Fehler machen, die so ein System zunächst gründlich ruinieren:

Da Glas aber wie Gummi reagiert, erstrahlt (erstrehlt) so ein System am Ende doch wieder in vollem Glanz !
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Als Nachtrag zum Beweis der erfolgten Zentrierung der übliche Sterntest mit dem mittigen Poisson-Punkt als Rotations-Mitte. Mein künstlicher 15µ
großer Stern wird im Fokus kantenscharf abgebildet, was ein Hinweis auf guten Kontrast darstellt.

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Zur Vermeidung von Vignettierung wurde der Twyman-Green-Interferometer eingesetzt. Dessen IGramme sind nicht ganz so kontrastreich wie beim Bath-IMeter,
was ein Problem des verwendeten Laser-Moduls ist.

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Das Referenz-IGramm . . .

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. . . das zu einem ähnlichen Ergebnis kommen muß, wie das obere erste IGramm.

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Ein Ergebnis, das den hohen Strehl im Bereich von 0.980 bestätigt.

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