D005 Alter M715 de Luxe - Fernrohr-Führerschein (Testbericht)

Fernrohr-Führerschein stiftet Verwirrung              

http://www.fernrohrland.de/
Bei Fernrohrland/Ludes hatte unser Forum-Mitglied gekauft ein Intes Alter de Luxe
M 715 mit den garantierten Werten L/8 PV der Wellenfront, so jedenfalls die Infor-
mation unseres Sternfreundes:

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Vorsichtigerweise findet man auf diesem Certifikat keine Strehlangabe, aber leider
auch keine eindeutige Zuordnung des Certifikates zur aufgeklebten Seriennummer des
Gerätes, wie man im Vergleich zwischen beiden erkennt.

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Nun spielt in diesem Zusammenhang ein von Fernrohr-Land vollmundig propagierter
Fernrohr-Führerschein eine so ähnlich unselige Rolle, wie der synthetische Stern-
test aus dem Star-Testing Buch von Suiter: Dieses Buch trägt erheblich zur Verwir-
rung bei, weil alle Beispiele keine Beispiele aus der Praxis sondern nur aus
synthetischen Berechnungen sind, und weil die Sternscheibchen weder die Justage
eines Gerätes, noch seine opt. Eigenheiten exakt darstellen. Bereits der Farblängs-
fehler bei jedem FH-Objektiv ist ein augenfälliges Beispiel, daß intrafokal das
Sternscheibchen anders aussehen muß als extrafokal. So ähnlich geht es bei einem
Intes Alter M 715 (7 inch Öffnung, F/17) Jedenfalls entstand über diesen ~Führer-
schein und die am Himmel fotografierte intra/extra Sternscheibchen-Situation beim
Sternfreund eine derartige Verunsicherung, daß er sich hilfesuchend an mich wandte,
und eine zunächst email-schriftliche Diskussion entstand. Alle konkreten und all-
gemeinen Schilderungen ließen eigentlich Rückschlüsse auf ein gutes Gerät zu, auch
die Certifikats-Daten selbst, wenn, ja wenn es das dem Teleskop entsprechende
Certifikat ist. Ab ca. 2.000.- Euro möchte man ja Gewissheit haben.

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Es lief also auf eine gründliche Untersuchung hinaus, weil jeder verabsolutierte
Test nichts taugt, und das gilt besonders für den Sterntest und der Kaffeesatz-
leserei, die man ihm angedeihen läßt, obwohl der doch nur ein Übersichts-Test ist
und dringend über andere Tests gegengeprüft werden muß. Spätestens hier hat man
es mit den Evangelisten aus der Branche zu tun, also denen, die mit dem Mund
arbeiten. Bei der im Labor gewonnenen Aufnahmen der untersten Reihe fällt noch
das Tubus-Seeing auf, intrafokal die "Öffnung" oben und extrafokal die "Linie"
unten. Das entsteht schon bei der Justage dadurch, daß man vielleicht eine Minute
oben die Hand auf den Tubus legt und bereits die Handwärme für Unruhe im Tubus-
Inneren sorgt. Wir hatten nämlich vorher peinlich auf gleiche Temperatur zwischen
Labor und Gerät geachtet. Derart verschiedene Sternscheibchen haben also starke
Zweifel beim Sternfreund geweckt, ob es bei Certifikat, Gerät und Führerschein
mit rechten Dingen zugehen kann.

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Der Ronchi-Gittertest bei ca. 550 nm wave (Baader Solar Continuum Filter) zeigt
im oberen Teil bei 13 lp/mm intrafokal ein richtig korrigiertes System, während
der untere Teil des Ronchi-Grammes noch unter der Luftschliere im Inneren leidet.
Das dauert ohne Lüfter mindestens noch 2 Stunden, die man in der Regel nicht hat.

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Also kommt als nächster Test der Foucault-Test zur Anwendung, der ein nahezu
fehlerfreies Teleskop mit geringen Abweichungen beim Öffnungsfehler zeigt. Natür-
lich sieht man auch hier noch die Luftschliere im Tubus (der senkrechte "Strich"
über 6:00 Uhr) und weiche Zonen in Form einer flachen Rinne am Rande und einem
flachen Anstieg zur Mitte.

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NOch deutlicher erkennt man die Situation beim Phasenkontrast- oder Lyot-Test und
zwar den Grund, warum beim Sterntest extrafokal ein Licht-Wulst entsteht und intra-
fokal das Sternscheibchen ganz zart ausgefranst erscheint. Abfallende Kanten
erzeugen z.B. bei Newton-Spiegel diesen Effekt, aber auch eine allgemeine Über-
korrektur.
Nach dem Spalt-Test, der im Wesentlichen ein Kontrast- und Definitions-Test ist,
untersuchten wir beiden per Interferometer bei 650 nm wave und 532 nm wave die
Optik. Auch Maksutovs können einen farbabhängigen Öffnungsfehler haben, aber weit
weniger kritisch wie Schmidt-Cassegrain Systeme, auch wenn der Herr Tassilo Bohm
von Meade Europe meint, diesen Sachverhalt vehement abstreiten zu müssen mit sach-
fremden Argumenten. Und da sich die Interferogramme ziemlich ähnlich sind, konzen-
triere ich mich auf die Auswertung des dritten Beispieles, nachdem IGramm01/650 nm
einen Strehl von 0.97, IGramm 02/532 nm einen STrehl von 0.96 und IGramm03/650 nm
einen Strehl von 0.977 bei einem PV-Wert von Lambda/5.9 und einen RMS von
Lambda/41.3.

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Nun begann eine Diskussion darüber, daß der Sternfreund doch ein L/8.8 Gerät gekauft
hätte und das doch per Certifikat ausgewiesen sei. Also untersuchte ich in der Aus-
wertung jeweil die Größe der Fehler Astigmatismus und Koma. Für beide Fehler wies
das Massimo-ATmosFringe-Programm jeweil einen Wert so um 1% Strehl aus.

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Zieht man also den ganz leicht vorhandenen Astigmatismus ab, dann kommt man ziemlich
genau in die Gegend der Werte, wie sie auch das Intes-Certifikat ausweist. Von der
Spiegelprüfung weiß ich, daß gerade der Astigmatismus den Strehl ganz entscheidend
"nach unten" zieht.
Wie aber entsteht diese Differenz?
Nun vermute ich sehr stark, daß die Certifizierung der Optik vor dem Einbau erfolgt,
also unter kontrollierbaren druckfreien Bedingungen. Wenn dann die Optik eingebaut
wird, dann sorgt bereits der kleinste falsche Druck auf Haupt und Fangspiegel dafür,
daß das System astigmatisch reagiert. Besonders die Hauptspiegel-Lagerung, besonders
auch bei diesen Intes-Geräten muß sehr sorgfältig darauf überprüft werden. Am Intes-
Mak von Thomas Wahl konnte ich das über längere Zeit ausgiebig studieren: Der Haupt-
spiegel sitzt mit seiner Bohrung auf dem Blendrohr und wird durch einen Schraubring
gehalten, der zartfühlend angezogen werden muß. Dann prüft man interferometrisch, ob
sich kein Astigmatismus eingeschlichen hat. Derartige Kopfstände wird Intes sicher
nicht machen, und jeder AstroHändler wird vehement auf sein nicht eindeutig zuzuord-
nendes Certifikat verweisen und lieber alle Prüfer in Bausch und Bogen verdammen, als
sich mit dem Sachverhalt auseinander zu setzen.
Vergleicht man nur die baugleichen Intes de luxe M 715, dann gehört das Gerät unseres
Sternfreundes zur besseren Kategorie, ich hätte hier auch nicht ganz so tolle Geräte
hier untersucht, allerdings in einem Bereich von 2-3%-Punkte Strehl und einem Bereich
zwischen L/5 und L/8 PV der Wellenfront.
Abschließend stellt sich immer die Frage, ist es ein gutes Gerät, und sollte man es
reklamieren. In der Summe aller Merkmale ist es ein gutes Gerät, bezogen auf den Typ
Intes Maksutov, die immer weitaus besser abschneiden als die Schmidt-Cassegrain-Systeme.
Das ist aber überhaupt nicht schlimm. Dafür haben sie wieder andere Vorteile.

 

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