C021 Die Orion-Zwillinge (Newton-Spiegel)

Die Orion Zwillinge - dem Barry gewidmet

Der Titel läßt eher einen astronomischen Schreibfehler vermuten, nachdem jeder schon etwas

vom Trapez im großen Orion Nebel M42, M43 gehört hat, und der Verfasser gerade diesen
Teleskop-Qualitäts-Prüfer im Winter als willkommenes Testobjekt verwendet, eben das Trapez
im Orion Nebel.

In diesem Falle handelt es sich jedoch um zwei Newton-Spiegel, die aus der Produktion des
gleichnamigen englischen Herstellers Orion Optics UK stammen, www.orionoptics.co.uk ,
dessen Inhaber Barry Pemberton in über 60-jähriger Familien-Tradition die Feinheiten der

Spiegelschleifkunst gepflegt und entwickelt hat. Barry wiederum ist willkommener User
dieses Astronomie-, Fotografie- und Optik-Forums, weshalb ihm dieser Bericht gewidmet sein
soll. Sein Deutscher Partner ist der uns gut bekannte Teleskop Service, München, mit der

Adresse: http://www.teleskop-service.de

Nun hatte ich bereits oft Gelegenheit, als überzeugter Newton-Teleskop-Liebhaber, hochwertige
Newton-Spiegel in meinem Optik-Labor den unterschiedlichsten Tests auszuliefern: Hier wäre
mein eigener Vergleichs-Spiegel ver-ewigt http://rohr.aiax.de/dobson.htm, hier könnte man sich
über die eben genannten Testverfahren allgemein informieren: http://rohr.aiax.de/fernrohr.htm

Die beiden Orion Zwillinge, zwei 300/1600 Spiegel aus der Fertigung von März 2004 erreichten
mich vergangene Woche und beeindrucken als ausgesprochen dünne Pyrex-Spiegel mit nur
28 mm Randdicke mit einer Hilux-Beschichtung, die eine so hohe Reflexion hat, daß mein
Laserstrahl-Bündel auf der Spiegel-Oberfläche nur noch ganz schwer zu erkennen ist. Beide
Spiegel haben eine derart hohe Qualität, daß sie in die Qualität von Lomo-Spiegeln und die
meines eigenen Spiegels von ICS, der mir den Hersteller nicht verriet, ebenbürtig sind. Davon
also handelt diese Bericht, den Barry Pemberton ebenfalls auf diesem Board natürlich in
Englisch kommentieren mag.

orionzwill00.jpg

Dieses Bild zeigt die bei so dünnen Spiegeln wichtige Lagerung im Gleichgewicht, damit der
nur 28 mm dicke Spiegel nicht mit Astigmatismus reagiert. Für die Temperatur-Anpassung ist
ein solch dünner Pyrex-Spiegel eine ideale Angelegenheit, weshalb die Nachfrage nach diesen
Spiegeln außerordentlich hoch ist.

orionzwill01.jpg

Der "Star-Testing-Suiter" wirft lange Schatten auch in mein Labor. Also durchläuft ein solcher
Spiegel nach Einrichtung der Autokollimations-Testanordnung, siehe nächstes Bild, zuallererst
den extra- und dann intrafokalen Sterntest mit einem 15 mm Ww Spektros Okular. Neben der
doppelten Genauigkeit dieser Testanordnung läßt sich sehr gut überprüfen, ob die Sternscheib-
chen intra- bzw. extrafokal gleiches Aussehen haben. Außer einigen Artefakten, die auf den
Okluar-Flächen zu suchen sind, lassen die Sternscheibchen bereits in der Übersicht erkennen,
daß es sich bei beiden Spiegeln um eine hohe Qualität handeln muß.

autokollimat.jpg

Die bereits genannte Test-Anordnung in Autokollimation, die zweimal genauer ist, wie am

Himmel.

orionzwill02.jpg

Bei diesem Test würde man erkennen:
- eine abgesunkene Kante oder einer Über- bzw. Unter-Korrektur
- Zonenfehler
- irreguläre Flächenfehler bis zur Flächenrauhheit
Lediglich die genaue Zuordnung und quantitative Bestimmung ist mit diesem Augen-Sterntest
nicht möglich. In der Weiterentwicklung jedoch als Roddier-Test über fotografischem Wege
möglich. Siehe bei: http://www.astrosurf.com/tests/roddier/roddier.htm

orionzwill03.jpg

Bei einer Gitterkonstante von 13 lp/mm bei nur vier Linien erhält man bereits eine sehr gute
Übersicht, was eine Optik später am Himmel leisten wird: Der Öffnungsfehler wird intrafokal
über die möglichst schnur-geraden und parallelen Linien dargestellt. Bauchige Verformung
der Linien zeigt eine Überkorrektur an, garbenfärmige dagegen eine Unterkorrektur. Zonen und
abfallender Rand sind ebenfalls gut zu taxieren, wenn vorhanden. Wenn die Beugungslinien
klar zu erkennen sind und möglichst ohne Störung verlaufen, hat man es mit einer besonders
glatten Oberfläche zu tun. Bei diesen beiden Spiegel kann man zu Recht von Hochleistungs-
Spiegeln sprechen.

orionzwill04.jpg

Weil aber auch der Foucault- oder Messerschneide-Test besonders in Autokollimation ein
äußerst empfindlicher Test ist, lassen sich damit natürlich trotzdem hauchzarte Feinstrukturen
darstellen. Wobei der Spiegel Nr. 383 eine flache Erhebung bei 50% des Durchmessers erkennen
läßt, deswegen nur 0.94 Strehl, während man bei Nr. 384 eine leichte Wolkenbildung erkennt und
so ein Strehl von 0.97 ermittelt werden kann.

orionzwill05.jpg

Die Feinstruktur einer ankommenden Wellenfront kann mit dem Lyot-, PhasenKontrast- oder
einfach Rauhheits-Test noch sensibler begutachtet werden. Mit diesem Test lassen sich be-
sonders herstellertypische Eigenheiten bei der Politur und Retouche ermitteln. So läßt sich
in manchen Fällen der Ursprung einer Optik mühelos zurückverfolgen. Dieser Test läßt insbe-
sondere sehr deutliche Rückschlüsse auf die Kontrast-Leistung eines opt. Systems zu, was
wiederum im folgenden Spalt-Test-Bild im Vergleich dokumentiert werden kann.

testspalt1.JPG

Weil es ein einstellbarer Spalt ist, der ab und zu mit Pressluft gereinigt werden muß, hat er
manchmal im Micron-Bereich eine vorübergehende Änderung der 0.001 mm Struktur zur folge.

orionzwill06.jpg

Ein Optik-Tester hat selbstverständlich so lange gesucht, bis er selbst perfekte Optiken hat.
Einer dieser Spiegel-Vergleiche kann hier nachgelesen werden: http://rohr.aiax.de/dobson.htm
Diese Spalt-Test-Aufnahmen entstehen unter Verwendung eines 2.5 mm Vixen Okulars bei einer
Effektiv-Vergrößerung von 1280-fach (Orion, ICS) bis 1520-fach (LOMO) Bei dieser hohen Ver-
größerungen wird bereits geringes Streulicht sichtbar. Leider läßt sich der visuelle Eindruck noch
nicht in voller Schärfe von der Kamera erfassen. Aber im Vergleich zu den anderen Spiegeln kann
man die Qualität dieser Orion Spiegel bereits gut abschätzen: In der Praxis wird man keine
UNterschiede festellen können.

orionzwill07.jpg

Interferogramme sind ständig in "Bewegung". Alle Raumschwingungen d.h. auch die eines vor-
beifahrenden LKW's, oder eine entfernte Waschmaschine machen derartige Messungen fast
unmöglich. Selbst wenn das Lobor im Keller "eingraben" ist, muß man Luft-Schlieren möglichst
durch eine Styropor-Einhausung zu unterdrücken versuchen. So ist die Verformung des obersten
Streifens auf dem rechten Bild einer durchziehenden Luftschliere zuzuordnen. Auffallend bei
diesem 0.97 Strehl Spiegel ist, wie gerade und parallel die einzelnen "fringes" das IGramm
darstellen. Auf dem linken IGramm erkennt man die bereits im Ronchi-Test erkennbar Ver-
tiefung der Mitte von max. lambda/6 der Wellenfront. Der Fehler dürfte sehr viel geringer sein,
weil sich der PV-Wert auf die Gesamt-Fläche bezieht und nicht nur auf die Abweichung des
Streifens in der Mitte. Bei Spiegel Nr. 383 lassen sich sowohl äußerst geringe Koma aus dem
Meßaufbau, sowohl Reste von Astigmatismus aus dem IGramm herauslesen. Alle Aufnahmen
entstand in Autokollimation bei 650 nm, die den üblichen HeNe Lasern bei 632.8 nm wave sehr
nahe kommt.

orionzwill08.jpg

Damit läßt sich ebenfalls in Autokollimation ein eventuell vorhandener Astigmatismus deutlich
nachweisen.

orionzwill09.jpg

Mit diesen Datenblättern, die man über das allen zugängliche FringeXP von Dave Rowe, USA,
ermitteln kann, bekommt man schließlich den, von einer bestimmten Spezies immer in Miß-
kredit geredeten, Strehlwert, der sich natürlich dann relativiert, wenn man es mit besonders
rauhen Oberflächen zu tun hat.
In unserem Falle bestätigen diese Werte eine hohe Ober-
flächenqualität.

orionzwill10.jpg

orionzwill11.jpg

Mit der 3-D-Darstellung läßt sich auch noch die Verformung der Wellenfront zeigen, dämnächst
hoffe ich, daß noch eine point-spread-function implementiert ist.

orionzwill12.jpg


Solche Spiegel, lieber Barry, liebt der deutsche Amateur-Astronom, vor allem, weil sie zu er-
schwinglichen Preisen bei Teleskop-Service zu haben sind. Nachdem aber hinter solcher
Qualität sehr viel Entwicklung und Know How stecken, darf man nicht fordern, daß man sie
zu einem Schleuder- oder Schnäppchen-Preis bekommt. Auf dem deutschen Markt gibt es
jedenfalls keinen Hersteller, der so günstig anbietet.

Würden nämlich die Amateur-Spiegelschleifer einen vernünftigen Stundensatz kalkulieren,
würden sie höchstwahrscheinlich diesen Preisen nicht standhalten können.

 

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