A109A William FLT 132 F7 - Vorsicht beim Zerlegen

Wer sich einer Fernrohr-Optik mit der Absicht nähert, sie zu zerlegen, sollte ca. 9/10 der Zeit zum Nachdenken verwenden. 
Vorher - versteht sich, nicht hinterher! Andernfalls hat man eine Reihe von Problemen. Dieser Hinweis gilt umso mehr, als man
eben keine Zeiss-Optik vor sich hat, sondern ein Objektiv, dessen Linsenfassung selbst nicht so gründlich durchdacht ist, wie
man das gerne hätte.
01. Die seitlichen Zentrierschrauben - hier bei 12:00 zur sehen - sind eigentlich überflüssig, weil das Spiel
zwischen Linsen zur Fassung kaum einen Spielraum zum seitlichen Verschieben der Einzel-Linse zulässt.
02. Bei diesem System fehlt auch die Kipp-Möglichkeit zur Tubus-Achse, mit der man den Objektiv-Block
sorgfältig kollimieren könnte. Je nach Rotation des Teleskops in seiner Längsachse, zeigt das System bei
513-facher Vergrößerung geringfügig andere Bilder im Fokus. In der Linsenfassung sollten die Linsen nicht
locker sein, also könnte es sich um eine Verkippung des Linsen-Paketes handeln, da man dann die opt.
Fehler im Bildfeld sehen würde. Man könnte also verrückt werden, falls man dies nicht rechtzeitig bemerkt.
Diese Art Linsen-Fassung für ein Triplett mit Luft-Linse funktioniert nur, wenn die mittlere Linse L2 mindestens
1 bis 2 mm im Durchmesser kleiner ist, weil man durch deren seitlicher Verschiebung zumindest den Koma-
fehler heraus-zentrieren kann. http://rohr.aiax.de/@KomaZentrieren.jpg

Das wohl wichtigste Utensil  beim Zerlegen einer solchen Optik sind ein Blatt Papier und ein Schreibgerät.
Bevor man beherzt ans Werk geht - auch wenn vorher einer Hand angelegt hat - muß  man  exakt ermitteln,
in welcher Reihenfolge die Komponenten in der Fassung angeordnet waren. Andernfalls stimmt das opt.
System nicht mehr, wie im vorlegenden Fall.

A: Gründliche Bestandsaufnahme

WOA_01.jpg
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So sollte man sich unbedingt Gewissheit verschaffen, welche opt. Fehler dieses Fernrohr hat, bevor man es mutig und tapfer zerlegt.
Intrafokal zeigt das RonchiGramm 10 lp/mm ein deutlich unterkorrigiertes System, was ein deutlicher Hinweis auf falsche Linsen-
abstände bedeutet: Meist zwischen L1 und L2. Irgendetwas stimmt mit den AbstandsRingen nicht.


WOA_02jpg
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Als Gegenbeweis zeigt das IGramm bei 532 nm wave die gleiche Situation, wobei hier noch der Astigmatismus und die Koma deutlich zu sehen sind.
Astigmatismus bedeutet normalerweise falschen Druck in der Fassung und Koma ist eine Frage der LinsenZentrierung, wenn die Fassung sinnvoll
durchdacht, entworfen und gebaut worden war.

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Bei Unter- oder Überkorrektur, Spherical genannt, haben die konzentrischen Zonen des Objektiv unterschiedliche Fokus-Punkte auf der opt. Achse,
sodaß heftiges Streulicht entsteht in gleicher Weise, wie bei einer De-Fokussierung. Das Licht wird so über die Beugungsringe verteilt.

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Ein weiterer opt. Fehler ist die Koma, wie man bei der Wellenfront-Darstellung gut sehen kann.

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Schließlich ist eine differenzierte Auswertung deswegen wichtig, damit man vor einer Optimierung die opt. Fehler den Gegebenheiten
des Systems und der Linsenfassung zuordnen kann: a) Astigmatismus wäre ein Lagerungs-Problem in der Fassung, b) Koma ein Problem
der Linsenzentrierung/Verkippung in der Fassung und c) spherical eine Frage der Linsen-Abstände. Das alles muß man nach dieser
Analyse systematisch abarbeiten am besten mit einem schriftlichen genauen Protokoll.


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B: Das Objektiv wird geöffnet !

In diesem Fall schraubt man die Linsenfassung vom Tubus ab, weil sich diese nur von hinten öffnen läßt - durchaus sinnvoll. Genauso
sinnvoll ist es, dazu eine Art "Steck-Schlüssel" zu verwenden, der in beide der Nuten eingesetzt werden kann. Vorher, und das vergaß
ich fast zu erwähnen, müssen die seitlichen Zentrierschrauben um ca. 2-3 mm zurückgedreht werden, die ja die Linsen festhalten.
Ein mit einem Kleenex-Tuch geschütztes kleineres Glas hilft nun,  das Linsenpaket vorsichtig aus der Fassung zu heben. Im Bild sieht
man links das kleinere Marmeladen-Glas, die das Paket herausgehoben hat. Daneben die Anordnung von Linsen und Distanz-Ringen,
die man sinnvoller Weise auch noch vermißt, wie man auch an der Hand-Skizze erkennt im übernächsten Bild sieht.

Nachdem man den Aufbau des derzeitigen System "ergründet" hat - egal, ob es nun richtig oder falsch ist - beginnt die systematische Durcharbeitung
der einzelnen Möglichkeiten, was zu den opt. Fehlern dieses APO's führt. Die einzelnen Schritte werden also nun in einem zeitraubenden Verfahren
abgearbeitet, nach immer der gleichen Methode: Änderung aufschreiben, Linsen in Fassung zurück, Schraubring wieder zu, Fassung wieder an Tubus,
Tubus wieder vor dem Planspiegel kollimiert, Ronchi-Test und Beurteilung: Besser oder falsch. Passieren darf dabei nichts, also alle Vorsichtsmaßnahmen
treffen, damit kein "Unglück" passiert. Hier die Kurzfassung der Procedur:

01. die Bestands-Aufnahme
02. Objektiv-Block in Fassung gedreht: eindeutig falsch, sagt mir der Ronchi-Gitter-Test. Dabei mit seitlichen Klebestreifen das Linsen-Gesamtpaket
fixiert, damit es nicht versehentlich auseinander fällt.
03. mittlere Linse gedreht - geht wegen der Radien überhaupt nicht.
04. ein dünner Distanz-Ring mit 1.3 mm Dicke gehört eigentlich nicht zwischen L2 und L3. Das macht ein Fachmann nicht, außer er pfuscht.
05. es bleibt also nur noch der Tausch von Distanz-Ring 01 (6,42 mm) mit Distanz-Ring 02 (5.89 mm). Das wäre also die Lösung.

Nicht ganz ! Jetzt ist das Objektiv nämlich ganz leicht überkorrigiert. D.h. daß dieser Ring um ca. 0.1 mm zu dünn ist. Der Abstand muß also
angepaßt werden.


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C:  Testreihe zur Dokumentation

Der Vergleich mit dem vorherigen Ronchi-Bild läßt klar erkennen, daß die Unterkorrektur weg ist! Das Foucault-Bild weist auf einen normalen APO
hin und das Lyot-Bild ist unauffällig. Das vorherige Streulicht ist weitestegehend entfernt und die Abbildung beim Artificiaal Sky Test entspricht
der systembedingten Auflösung von ca. 1 Bogensekunde.


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Nun kommt auch ein vernünftiges Interferogramm bei 532 nm wave heraus, das man entspannt auswerten kann.

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Die Wellenfront schaut schon viel freundlicher aus . . .

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Auch die Energie-Verteilung ist fast perfekt bei einem Strehl von 0.95

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und schließlich die Auswertung selbst - diesmal muß es nicht mehr differenziert sein - weil auch die Linsenfassung-Fassung nicht mehr
her gibt: Wenn nämlich durch Drehung des Teleskopes in der Längsachse sich die Abbildung geringfügig ändert, ist man froh, wenn man
durch all diese "Klippen" doch noch zu einem brauchbaren Ergebnis gekommen ist.


WOA_13.jpg
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Kommentare   

# Pachakuhtek 2015-02-22 17:33
Ich bin der Besitzer dieser durch Selbstüberlistung aus der Ordnung geratenen
Optik. Mit Freude und großem Dank an Herrn Rohr kann ich nun berichten, daß der Williams wieder voll einsatzfähig ist ! Das Wetter der vergangenen Woche ließ einige langbelichtete
Aufnahmen Richtung M 78 zu. Dabei zeigte sich die Optik wieder perfekt aufgeräumt und von ihrer schärfsten Seite.